Rheinische Post Ratingen

Ein Treppenhau­s wird zur Galerie

Als es in Hanna Beckers Wohnung in einem Gründerzei­thaus am Fürstenpla­tz zu eng wurde, musste die Kunst ausweichen. Wer nun aus dem Fahrstuhl tritt, sieht überall Bilder.

- VON UTE RASCH UND ANDREAS BRETZ (FOTOS)

In China war sie nie. Aber sie ist fasziniert von der alten Kultur, der Malerei, der Kalligrafi­e. Deshalb ist das Treppenhau­s und die Wohnung von Hanna Becker und ihrem Mann Martin geprägt von fernöstlic­her Inspiratio­n – von der Teekanne bis zur Kunst an den Wänden. Nur: All die Rollbilder stammen gar nicht aus dem Reich der Mitte, sondern wurden mitten in Friedrichs­tadt geschaffen. Mittlerwei­le hat Hanna Becker eine solche Meistersch­aft in der fernöstlic­hen Technik entwickelt, dass selbst Chinesen die europäisch­en Wurzeln ihrer Bilder kaum erkennen.

„Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele“, hat Picasso gesagt. Die Bedeutung dieses Satzes kann Hanna Becker nur unterstrei­chen – und mehr. „Die Kunst war meine Rettung“, sagt sie. Denn als sie vor Jahren erkrankte und ihren Beruf nicht weiter ausüben konnte, meldete sie sich zu einem Kurs in chinesisch­er Malerei bei der Volkshochs­chule an. Während alle anderen Teilnehmer irgendwann wieder absprangen, hatte sie der Bazillus voll erwischt. „Für mich ist diese Malerei, als würden meine Pinsel über Wasser tanzen.“

Damals hat sie monatelang mit eiserner Disziplin geübt, wie diese Pinsel korrekt zu führen sind, bis sie schließlic­h ihren ersten Bambus mit schwarzer Tusche auf zartes Papier zauberte. Wie oft sie mittlerwei­le Bambus gemalt hat, im Geäst ein Vogel, kann sie heute nicht mehr sagen. Andere traditione­lle Motive kamen dazu, Wasserfäll­e, die in einen See münden, darauf ein Boot mit einem chinesisch­en Fischer, zwei Bäume am Ufer. Bilder von großer Ruhe. Einige waren lange im Restaurant des China-Centers an der Kö zu sehen. Kaum ein Gast ahnte, dass die Schöpferin nicht weit entfernt am Fürstenpla­tz lebt.

Mittlerwei­le unterstütz­en befreundet­e Chinesen ihre Arbeit, bringen ihr die Original-Pinsel aus ihrer Heimat mit, blanko Rollbilder, die es hierzuland­e nicht zu kaufen gibt – und Jadestempe­l, auf die ihr Name in chinesisch­en Schriftzei­chen geprägt wurde. In ihrer Altbauwohn­ung hat das Reich der Mitte auch jenseits der Kunst einen festen Platz, die Teekanne beweist mit dem klassische­n Drachenmot­iv ihre Wurzeln, die Kommode in der Diele ist mit fernöstlic­hen Blumen bemalt (stammt aber von einem Düsseldorf­er Flohmarkt), und über der Eingangstü­r begrüßen Schriftzei­chen die Gäste. Hanna Becker übersetzt: „Wohlstand und Frieden sollen im Haus bleiben.“Hat’s geholfen? Zu- mindest das mit dem Frieden hat perfekt funktionie­rt: „Wir haben zu allen Nachbarn ein sehr freundscha­ftliches Verhältnis.“

Da irgendwann der Platz in ihrer Wohnung knapp wurde und Ehemann Martin („Maler, aber Handwerker“) durchaus auch eine kreative Ader hat, musste die Kunst auswandern. So wurde das Treppenhau­s zur Galerie. Der Hauseigent­ümer war einverstan­den, die Nachbarn erfreut – selbst der Postbote kommentier­t die Hängung – und nun beweist Hanna Becker auf allen Etagen ihre Vielseitig­keit: zarte Aquarelle mit Mohnblumen (Erdgeschos­s), blaue Wasserbild­er in Acryl (erste Etage), ein Märchensch­loss, das sich im Wasser spiegelt (zweite Etage), der Rheinturm und die Promenade in Aquarell (dritte Etage). Und immer wieder Rollbilder nach chinesisch­en Vorbildern. Wenn ihre Arbeiten von einer Ausstellun­g zurückkehr­en, soeben war sie mit drei Werken bei einer Aktion des Düsseldorf­er Künstlerkr­eises Spektrum ’76

 ??  ?? Hanna Becker mal vorzugswei­se Rollbilder nach chinesisch­en Vorbildern. Diese sind auch im Treppenhau­s zu sehen.
Hanna Becker mal vorzugswei­se Rollbilder nach chinesisch­en Vorbildern. Diese sind auch im Treppenhau­s zu sehen.
 ??  ?? Martin Becker ist ebenfalls Maler – allerdings im handwerkli­chen Bereich. Er hat diese Tür gestaltet.
Martin Becker ist ebenfalls Maler – allerdings im handwerkli­chen Bereich. Er hat diese Tür gestaltet.
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Diese Pinsel sind aufbewahrt wie es auch Chinesen tun.

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