Ein Treppenhaus wird zur Galerie
Als es in Hanna Beckers Wohnung in einem Gründerzeithaus am Fürstenplatz zu eng wurde, musste die Kunst ausweichen. Wer nun aus dem Fahrstuhl tritt, sieht überall Bilder.
In China war sie nie. Aber sie ist fasziniert von der alten Kultur, der Malerei, der Kalligrafie. Deshalb ist das Treppenhaus und die Wohnung von Hanna Becker und ihrem Mann Martin geprägt von fernöstlicher Inspiration – von der Teekanne bis zur Kunst an den Wänden. Nur: All die Rollbilder stammen gar nicht aus dem Reich der Mitte, sondern wurden mitten in Friedrichstadt geschaffen. Mittlerweile hat Hanna Becker eine solche Meisterschaft in der fernöstlichen Technik entwickelt, dass selbst Chinesen die europäischen Wurzeln ihrer Bilder kaum erkennen.
„Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele“, hat Picasso gesagt. Die Bedeutung dieses Satzes kann Hanna Becker nur unterstreichen – und mehr. „Die Kunst war meine Rettung“, sagt sie. Denn als sie vor Jahren erkrankte und ihren Beruf nicht weiter ausüben konnte, meldete sie sich zu einem Kurs in chinesischer Malerei bei der Volkshochschule an. Während alle anderen Teilnehmer irgendwann wieder absprangen, hatte sie der Bazillus voll erwischt. „Für mich ist diese Malerei, als würden meine Pinsel über Wasser tanzen.“
Damals hat sie monatelang mit eiserner Disziplin geübt, wie diese Pinsel korrekt zu führen sind, bis sie schließlich ihren ersten Bambus mit schwarzer Tusche auf zartes Papier zauberte. Wie oft sie mittlerweile Bambus gemalt hat, im Geäst ein Vogel, kann sie heute nicht mehr sagen. Andere traditionelle Motive kamen dazu, Wasserfälle, die in einen See münden, darauf ein Boot mit einem chinesischen Fischer, zwei Bäume am Ufer. Bilder von großer Ruhe. Einige waren lange im Restaurant des China-Centers an der Kö zu sehen. Kaum ein Gast ahnte, dass die Schöpferin nicht weit entfernt am Fürstenplatz lebt.
Mittlerweile unterstützen befreundete Chinesen ihre Arbeit, bringen ihr die Original-Pinsel aus ihrer Heimat mit, blanko Rollbilder, die es hierzulande nicht zu kaufen gibt – und Jadestempel, auf die ihr Name in chinesischen Schriftzeichen geprägt wurde. In ihrer Altbauwohnung hat das Reich der Mitte auch jenseits der Kunst einen festen Platz, die Teekanne beweist mit dem klassischen Drachenmotiv ihre Wurzeln, die Kommode in der Diele ist mit fernöstlichen Blumen bemalt (stammt aber von einem Düsseldorfer Flohmarkt), und über der Eingangstür begrüßen Schriftzeichen die Gäste. Hanna Becker übersetzt: „Wohlstand und Frieden sollen im Haus bleiben.“Hat’s geholfen? Zu- mindest das mit dem Frieden hat perfekt funktioniert: „Wir haben zu allen Nachbarn ein sehr freundschaftliches Verhältnis.“
Da irgendwann der Platz in ihrer Wohnung knapp wurde und Ehemann Martin („Maler, aber Handwerker“) durchaus auch eine kreative Ader hat, musste die Kunst auswandern. So wurde das Treppenhaus zur Galerie. Der Hauseigentümer war einverstanden, die Nachbarn erfreut – selbst der Postbote kommentiert die Hängung – und nun beweist Hanna Becker auf allen Etagen ihre Vielseitigkeit: zarte Aquarelle mit Mohnblumen (Erdgeschoss), blaue Wasserbilder in Acryl (erste Etage), ein Märchenschloss, das sich im Wasser spiegelt (zweite Etage), der Rheinturm und die Promenade in Aquarell (dritte Etage). Und immer wieder Rollbilder nach chinesischen Vorbildern. Wenn ihre Arbeiten von einer Ausstellung zurückkehren, soeben war sie mit drei Werken bei einer Aktion des Düsseldorfer Künstlerkreises Spektrum ’76