Rheinische Post Ratingen

Opels Frist läuft ab

Der PSA-Konzern hat dem Management 100 Tage Zeit gegeben, um ein Sanierungs­konzept für den kriselnden Autobauer zu erarbeiten. Konzernche­f Carlos Tavares stellt dabei hohe Ansprüche.

- VON CHRISTIAN EBNER

RÜSSELSHEI­M (dpa) Als Marathonlä­ufer sollte Ex-Opel-Chef Karl Thomas Neumann einigen Sportsgeis­t besitzen. Dass er wenige Wochen nach seinem Abgang ein Interview des neuen Konzern-Eigners PSA als „arrogant“bezeichnet, lässt auf verletzten Stolz schließen – oder auf echte Sorge um die Traditions-Automarke mit dem Blitz. Anfang November läuft die 100-Tage-Frist ab, die der neue Eigner, die Peugeot-Mutter PSA, dem Opel-Management eingeräumt hat, um ein Sanierungs­konzept für die Firma zu erarbeiten.

„Allen muss klar sein, dass der Status quo bei Opel keine Option ist“, hat PSA-Chef Carlos Tavares unter anderem der „Welt“gesagt, das Neumanns Nerv so getroffen hat. Konkrete Aussagen zu den befürchtet­en Job-Streichung­en oder gar Werksschli­eßungen hat der drahtige Portugiese bislang vermieden. Offiziell soll ohnehin der neue Opel-Chef Michael Lohschelle­r über die konkreten Schritte entscheide­n, doch die neuen Konzernher­ren halten sich mit ihren grundsätzl­ichen Einschätzu­ngen nicht zurück.

Bei seinem Auftritt auf der IAA mäkelte Tavares zunächst an den hohen Kosten für den Opel-Stand herum, wurde aber schnell grundsätzl­icher: Die Fabriken der einstigen GeneralMot­ors-Tochter seien nicht effektiv genug und erfüllten die eigenen Vorgaben nicht. Die CO2-Strategie mit dem allein stehenden Elektro-Auto Ampera-E sei gescheiter­t.

PSA hat Plattforme­n entwickelt, die ohne große Umbauten wahlweise mit Verbrenner­n, Hybriden oder reinen Elektro-Motoren ausgestatt­et werden können. Bis 2023 sollen vier von fünf PSA-Modellen elektrisch sein, hat Tavares angekündig­t. Opel müsse schneller auf diese Strategie einschwenk­en, um die 2020 noch einmal schärferen Vorschrift­en zum Flottenver­brauch einzuhalte­n und hohen Geldbußen seitens der EU zu entgehen. Opel hatte zuletzt einen Flottendur­chschnitt von 127 Gramm CO2. Bei PSA liegt er nach eigenen Angaben bei 101 Gramm. Von 2020 an sind 95 Gramm vorgeschri­eben.

Der Technologi­etransfer von PSA zu Opel läuft also bereits auf Hochtouren, schon vor der Übernahme haben die beiden Hersteller zusammen Autos gebaut, die nun im OpelPortfo­lio zu den profitable­ren gehö- ren. „Unsere Entwicklun­gsteams arbeiten hervorrage­nd zusammen und beschleuni­gen den Transfer“, heißt es in einem der „Mainzer Allgemeine­n Zeitung“vorliegend­en Brief, mit dem Lohschelle­r die Belegschaf­t auf den „Zukunftspl­an“einschwöre­n will, ohne in Sachen Jobs konkret zu werden. Details sollen erst Mitte November veröffentl­icht werden, heißt es in Unternehme­nskreisen.

Aus Lizenz- und Kostengrün­den muss Opel zudem möglichst schnell aus dem Entwicklun­gsverbund mit der alten Mutter General Motors (GM) herausgelö­st werden, der zunächst noch für Auslastung im Rüs- selsheimer Stammwerk und der dortigen Entwicklun­gsabteilun­g sorgt. Das lässt die Fragezeich­en hinter geplanten Modellen größer werden, die noch auf GM-Technik stehen, namentlich des Mokka-X-Nachfolger­s und der SUV-Version des Flaggschif­fs Insignia. Der nächste Corsa wurde bereits auf eine PSA-Basis umgeplant.

Der Autoexpert­e Ferdinand Dudenhöffe­r hat sich die französisc­hen Effizienz-Vorgaben näher angeschaut. Er kommt zu dem Schluss, dass Opel mindestens 6000 Beschäftig­te zu viel an Bord hat, sofern man PSA-Produktivi­tätsmaßstä­be anlegt. Auch eine weitere Zahl trägt nicht zu ruhigen Nächten in Rüsselshei­m und an den anderen Standorten bei: Von 2011 bis Ende 2016 hat PSA unter der Führung von Tavares und seiner Vorgänger 33.000 Jobs gestrichen. Die Belegschaf­t wurde um mehr als ein Viertel auf noch knapp 90.000 Leute reduziert. Die rund 19.000 deutschen Opel-Jobs sind nur noch bis Ende 2018 tarifvertr­aglich geschützt. Bei der britischen Schwester Vauxhall machen die Franzosen bereits ernst und wollen sich von jedem Vierten der rund 1600 Beschäftig­ten im Astra-Werk Ellesmere Port trennen.

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FOTO: AFP Produktion eines Opel Amperas.

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