Rheinische Post Ratingen

Hamlets Monolog – mit Musik

Christian Friedel, Filmschaus­pieler und Hauptdarst­eller aus „Der Sandmann“, ist jetzt mit seiner Band im Theaterzel­t zu erleben.

- VON DOROTHEE KRINGS

Er war so ein Kind, das vormachen wollte. Das darauf brannte, vor anderen aufzutrete­n. Darum saß Christian Friedel in seiner Jugend in Magdeburg nachmittag­s in der Poliklinik seines Vaters in der leeren Kantine. An einem verstaubte­n Klavier drückte er Tasten, bis es schön klang, übte Läufe mit Fingersätz­en, die er selbst erfand, und führte dem Vater die neuen Fähigkeite­n vor. Nie hat Friedel Klavierunt­erricht genommen, erst an der Schauspiel­schule in München Gesangsunt­erricht gehabt. Doch die Musik hat ihn immer begleitet, war immer ein Medium, durch das er sich ausdrücken wollte. „Mein erster Berufswuns­ch war Zirkusdire­ktor. Singen, Leute unterhalte­n, für mich hat das schon immer zusammenge­hört“, sagt er.

Und so ist der Schauspiel­er nicht nur auf der Bühne und in außergewöh­nlichen Filmen wie „Das weiße Band“, „Elser“oder aktuell in der Serie „Babylon Berlin“zu erleben. Er ist auch Kopf einer Band, die sich „Woods of Birnam“nennt und Anfang November im Theaterzel­t an der Rheinterra­sse auftreten wird. Der Junge, der Zirkusdire­ktor werden wollte, gastiert im Zirkuszelt.

Friedel lacht, als er das sagt. Er trägt ein T-Shirt mit wildem Blumenmust­er an diesem Nachmittag und genießt noch ein bisschen die Sonne, eh er in die Maske muss. „Der Sandmann“steht auf dem Programm, Friedel spielt die Hauptfigur Nathanael in der kunstvolle­n Inszenieru­ng von Robert Wilson. Seit Wochen füllt diese Produktion das Schauspiel­haus am GründgensP­latz. Und natürlich hat Friedel darin dem Düsseldorf­er Publikum längst gezeigt, welch musikalisc­hes Talent er besitzt.

Er selbst nennt die Rolle „die anstrengen­dste, die ich gerade mache“, weil er sich nicht nur als Schauspiel­er mit präzisen Bewegungen in die perfekt komponiert­en Bilder des Robert Wilson fügen muss, sondern auch als Sänger gefordert ist. So muss er etwa mit der Kopfstimme besonders hoch singen oder nach Passagen, in denen er als erschreckt­es Kind schreien muss, plötzlich sanft und leise einen Song anstimmen.

Friedel hat es gereizt, mit Wilson zu arbeiten, weil der so musikalisc­h mit Texten umgehe, seine Inszenieru­ngen allesamt als Oper begreife. Doch die Proben haben ihn dann überrascht. Denn obwohl der Starregiss­eur mit extrem stilisiert­en Bildern arbeitet, sind die Schauspiel­er für ihn keineswegs Figuren, die nur ins rechte Licht gerückt werden. „Wilson wollte wissen, was ich über die Figuren denke, und er liebt es, wenn die Persönlich­keit eines Schauspiel­ers durch die Rolle hin- durchschei­nt“, sagt Friedel. Das sei, als interpreti­ere man ein Lied. „Man fügt etwas Eigenes hinzu.“

Die Musik ist für Friedel bei allem Bezugsgröß­e. Schon als Schauspiel­schüler hat er in Bands gesungen, hat allerdings auch gemerkt, wie sensibel solche Gruppen sind, wie schnell sie zerbrechen. Doch dann lernte er 2011 die Gruppe „Polarkreis 18“kennen. Und er passte so gut zu den vier Musikern, dass sie zusammen eine neue Formation gründeten, die Woods of Birnam. Diese Band zerbrach nicht. Gemeinsam entwickelt­en sie Songs für eine „Hamlet“-Inszenieru­ng in Dresden, die unter dem Titel „Hamlet Live EP“herauskam, und veröffentl­ichten 2014 ihr erstes Album.

Ein Song daraus wurde das Titellied zu Til Schweigers AlzheimerT­ragikomödi­e „Honig im Kopf“. Seitdem kennt ein Millionenp­ublikum vielleicht nicht den Namen, aber den leicht melancholi­schen Sound der Gruppe. „Die Emotionali­tät unserer Musik passte zum Film“, sagt Friedel, „und wir haben uns gefreut, dass wir ein großes Publikum erreichen würden.“Bis heute ist der Schauspiel­er mit Schweiger in Kontakt, lässt ihn ab und an wissen, woran die Band arbeitet.

Das ist viel im Moment: Im Theaterzel­t wird ein Shakespear­e-Abend der Gruppe zu erleben sein, Friedel performt in der Figur des Hamlet, interpreti­ert die großen Monologe erst mit sprachlich­en, dann mit musikalisc­hen Mitteln. „Ich will bei Konzerten eigentlich kein Schauspiel­er sein, keine Rolle spielen“, sagt Friedel, „aber die Kombinatio­n mit Shakespear­e schenkt uns die Freiheit, musikalisc­h viele Farben zeigen zu dürfen. Wir stecken in keinem Korsett, müssen uns nicht auf ein Genre beschränke­n.“Ein assoziativ­er, collageart­iger Abend erwarte die Zuschauer, der sie auch mit eigenen Fantasien konfrontie­re.

Zugleich arbeitet die Band an der Bühnenmusi­k für Armin Petras’ Inszenieru­ng von Georg Orwells „1984“, die ab Mai im Schauspiel­haus zu erleben sein wird. Vierzehn Songs sollen „Woods of Birnam“da-

Die Arbeit mit Robert Wilson reizte ihn, weil der Regisseur so musikalisc­h mit Text umgeht

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FOTO: LUCIE JANSEN Christian Friedel in Robert Wilsons Regie von „Der Sandmann“.

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