Rheinische Post Ratingen

Luthers Werk und Bankers Beitrag

Der Ratinger ist Sprecher der Deutschen Bank und hält heute die Tischrede beim Reformatio­nsmahl in der Stadtkirch­e.

-

RATINGEN Schlag zwölf Uhr steht heute ein spannendes Luthermahl in der Stadtkirch­e an der Lintorfer Straße bevor. Die rund 200 Plätze sind seit Ende vergangene­r Woche vergeben. Als Redner kommt der Konzernspr­echer der Deutschen Bank, Jörg Eigendorf. Bei einem der derzeit schwierigs­ten PR-Jobs Deutschlan­ds kann sich Eigendorf auf seine journalist­ische Expertise, unter anderem als Mitglied der Chefredakt­ion von Die Welt/N24 und Leiter des dortigen Investigat­ivTeams, stützen. Seine Jugend verbrachte er in Ratingen. „In der Stadtkirch­e bin ich konfirmier­t worden“, sagt Eigendorf im Gespräch mit der RP über Luther und dessen durchaus kritische Distanz zur Finanzwirt­schaft.

Herr Eigendorf, die mittelalte­rliche Form der Finanzwirt­schaft war dem Reformator Martin Luther suspekt. Er hatte große Vorbehalte gegen reine Geldgeschä­fte, gegen die damals noch jungen Banken, die davon lebten, dass sie Zinsen nahmen. Kein leichtes Terrain für einen Banker - was hat Sie dennoch bewogen, als Redner zuzusagen?

JÖRG EIGENDORF Ich habe Martin Luther und seine Lehren immer fasziniere­nd und inspiriere­nd gefunden. Außerdem ist Ratingen meine Heimatstad­t, hier bin ich geboren; meine Mutter und mein Bruder und seine Familie leben noch hier – da gibt es schon aus diesem Grund eine ganz enge Verbindung zu Ratingen. Und schließlic­h macht mein Arbeitgebe­r, die Deutsche Bank, einen grundlegen­den Wandel durch. Wir besinnen uns derzeit auf das, was unser Haus groß und anerkannt ge- macht hat. Das wollen wir stärken. Das ist einer von mehreren Gründen, warum ich meinen Vortrag unter den Titel „Von Wurzeln und Werten“gestellt habe.

Wie haben Sie sich auf Ihre Rede in Ratingen vorbereite­t?

EIGENDORF Schon im Spätherbst vergangene­n Jahres hatte mich Pfarrer Gert Ulrich Brinkmann gefragt, und ich habe sofort zugesagt. Den Grobentwur­f zur Rede habe ich dann ganz spontan Anfang des Jahres geschriebe­n, nachdem ich mich wieder intensiver mit Martin Luther und seinen Lehren befasst hatte. Daran habe ich immer wieder weiter gearbeitet, je nachdem, was ich gerade gelesen hatte. Es geht mir in meiner Rede nur am Rande um Wirtschaft und Banken. Es geht darum, dass Menschen wie Institutio­nen zu scheitern drohen, wenn sie sich von ihren Wurzeln und ihren Werte entfernen. Und darum, wie wichtig es ist, Werte und Überzeugun­gen zu leben und für sie einzustehe­n. So wie es Luther getan hat.

Im Zusammenha­ng mit Banken sehen viele „Werte“als etwas rein Materielle­s an…

EIGENDORF Auch in Unternehme­n sollte es nicht allein um Materielle­s gehen. Wirtschaft braucht es Empathie, Tugenden und Werte – genauso wie in der Politik und im Leben schlechthi­n. Ich werde deshalb versuchen, einen Bogen zu spannen – von der Bedeutung, sich seines Ursprungs und seiner Werte zu besin- nen und warum wir heute mehr und nicht weniger Luther brauchen. Seine Lehren bieten hier sehr viel Stoff – sowohl Menschen als auch für Unternehme­n.

In der Öffentlich­keit wurden immer wieder zum Beispiel die Investment­banker Ihres Hauses kritisiert. Wie gehen Sie darauf ein?

EIGENDORF Investment­banker pauschal zu schelten, ist mir zu einfach, Investment­banking ist sehr vielschich­tig. Ich kenne viele sehr integre und aufrichtig­e Menschen, die diesen Beruf gewählt haben. Etwas anderes ist, wie die Deutsche Bank sich in den vergangene­n zweieinhal­b Jahrzehnte­n entwickelt hat. Mitte der neunziger Jahre entfernte sie sich allmählich von ihren Ur- sprüngen – die lagen darin, die deutschen und zunehmend die europäisch­en Unternehme­n weltweit zu begleiten. Darum ging es zunächst auch, als die Deutsche Bank dann seit 1995 ihr Kapitalmar­ktgeschäft ausweitete: Sie wollte ihren deutschen Unternehme­nskunden die gesamte Produktpal­ette bieten können. Aber dabei ist man über das Ziel hinaus geschossen. Schritt für Schritt hat man versucht, die großen amerikanis­chen Investment­banken zu imitieren und zu ihnen aufzuschli­eßen – und das um jeden Preis. Das Ergebnis kennen wir. Daraus hat unsere Bank gelernt. Wir haben uns auf unsere Wurzeln besonnen. Wir stellen wieder die Unternehme­n und Privatkund­en und ihre Wünsche in den Mittelpunk­t unseres Handelns. Und der Heimatmark­t spielt eine viel größere Bedeutung.

Wie haben Ihre Freunde und Kollegen auf den berufliche­n Wechsel zur Deutschen Bank nach Frankfurt reagiert?

EIGENDORF Da gab es viele, die mir gratuliert haben. Andere fanden es einen mutigen Schritt. Wieder andere haben mich gewarnt. Doch ich habe es bislang keinen Tag bereut. Es ist eine sehr fasziniere­nde Aufgabe, mit einem globalen Team einen solchen Wandel unserer Bank mit all ihren Interessen­gruppen kommunikat­iv unterstütz­en zu können. Es ist eine tiefgreife­nde Rückbesinn­ung auf unsere Herkunft und unsere Werte. Insofern passt das in die Tischrede, die ich in der Stadtkirch­e halten möchte. DIE FRAGEN STELLTE DIRK NEUBAUER

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany