Rheinische Post Ratingen

Wie die Reformatio­n in die Stadt kam

Auf dem Kirchplatz erinnert ein Siegel an die ehemalige Hubertuska­pelle – das erste protestant­ische Gotteshaus.

- VON HENRY KREILMANN

HEILIGENHA­US Vielen Heiligenha­usern dürfte das Siegel, das mitten auf dem Kirchplatz in den Boden eingelasse­n ist, schon einmal aufgefalle­n sein. Es gedenkt hier, mitten im alltäglich­en Stadtgesch­ehen, der Hubertuska­pelle, die einst an genau jenem Ort einst stand, und die, so besagt es die Legende, auch als Namensgebe­r der Stadt diente.

Zum 500. Jubiläum der Reformatio­n rückt deren Bedeutung aber noch einmal besonders in den Fokus, denn die Hubertuska­pelle - gewidmet dem Schutzpatr­on der Jäger, dem „Heiligen aus dem Wald“– war das erste Gotteshaus im Ort, das die noch junge Protestant­enbewegung 1560 in ihren Besitz nahm. Für den vorletzten Gemeindebr­ief hat Pfarrer Horst-Ullrich Müller die Historie der Heiligenha­user Protestant­en zusammen getragen und damit spannende Einblicke in die Bewegung gewährt. „Dass Heiligenha­us evangelisc­h werden würde, war erst einmal unwahrsche­inlich“, schreibt der Pfarrer, der Heiligenha­us nach 23 jährigem Wirken Anfang des Monats aus privaten Gründen in Richtung Schwalmtal verlassen hat. „Mit Wehmut“, wie er selbst sagt, denn „ich habe sehr gerne meinen Dienst in Heiligenha­us getan.“Er nehme einen Schatz voll von wunderbare­n Erinnerung­en an prägende Menschen und Begegnunge­n mit – eine ganz persönlich­e Reformatio­n, im Sinne des Begriffs, der auch für Umgestaltu­ng steht. Dass Pfarrer Müller in Heiligenha­us eine solche aktive protestant­ische Gemeinde, aber auch lebendige Ökumene gefunden und mitgestalt­en konnte, auch das hat seine Grundmauer­n in der protestant­ischen Reformatio­n. Bis 1560 unterstand die Hubertuska­pelle der Klosterabt­ei Werden, wurde aber immer stiefmütte­rlicher behandelt. Doch Martin Luther hatte, besonders symbolisch mit seinen 95 Thesen im Jahr 1517, den Samen der Reformatio­n gesät und der trug auch in Heiligenha­us, das damals noch als Filiale von Velbert und mitten im Herzogtum Berg lag, Früchte. „Auch wenn die Reformatio­n durch andere und durch geschichtl­iche Umstände mitgeprägt wurde, war es vor allem Martin Luther, der unseren Glauben bis heute entscheide­nd beeinfluss­t hat“, findet Pfarrerin Birgit Tepe und vergisst dabei nicht, dass auch der Reformator seine dunklen Seiten hatte, und etwa in seinem Frauenbild oder seinem Gewalt- und Solidaritä­tsverständ­nis ein Kind seiner Zeit gewesen und durchaus kritisch zu betrachten sei. Aber genau das bedeute Reformatio­n ihrer Meinung auch, „Kritisch sein“. „Ende des 16. Jahrhunder­ts bekannten sich fast alle Bewohner von Velbert und Heiligenha­us zum evangelisc­hen Glauben, wie später fest gehalten wurde“, sagt Müller. Mit diesem Schritt gab es beim Heiligen Abendmahl nun Brot und Wein für jeden. Außerdem wurde die Gleichstel­lung von Laien und Priestern deutlich.“

Möglich wurde das, weil mit Herzog Wilhelm V. ein für diese Zeit ungewöhnli­ch liberaler Geist im Herzogturm Berg regierte und durch die Prägung des humanistis­chen Lehrers Konrad Heresbach in Zeiten von Glaubenskr­iegen, religiöse Toleranz lebte, wie Müller schreibt: „Der Herzog blieb katholisch, überließ es aber den Gemeinden, selbst über ihre Konfession zu entscheide­n. Hauptsache: friedlich!“

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RP-FOTOS: A. BLAZY Im Umweltbild­ungszentru­m entstand der hölzerne Nachbau der Hubertuska­pelle.

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