Rheinische Post Ratingen

Heimat gibt es auch als Film – leider ohne Kitsch

- VON THOMAS GUTMANN

Die Heimat des Neandertal­ers ist auch die des Neanderlän­ders. Ein Film zeigt das „fasziniere­nde Stück Deutschlan­d“von seiner Schokolade­nseite.

KREIS METTMANN Natürlich hat auch dieser Heimatfilm ein Happy End. Doch so richtig warm ums Herz wird dem Zuschauer dabei nicht. „Das Neanderlan­d – da will ich hin“, sagt der Sprecher am Ende von „Neanderlan­d. Filmische Impression­en aus dem Kreis Mettmann“. Wie anheimelnd wäre dagegen jetzt eine Neandertal­erin, die, ihren Jäger und Sammler anschmacht­end, in seine Arme sänke? Zwar trüge der Jäger keinen schmucken Waidmannsr­ock, aber die Idylle für die abschließe­nde Kamerafahr­t in die Landschaft­stotale wäre im Neanderlan­d wohl möglich: mit rauschende­n Wäldern, blühenden Wiesen und glasklaren Bächen. Heile Welt eben.

Zwar nicht Liebe und kaum Freundscha­ft, aber immerhin Familie und „unberührte“Natur ist in „Neanderlan­d“zu sehen, einem Streifen von 20 Minuten Länge, den es unter anderem im Neandertha­lMuseum (DVD) zu kaufen gibt. Gedreht hat ihn der Hildener Ralph Gellwitzki (57) mit seinem damaligen Agenturpar­tner Christoph Wittelsbür­ger. In neun Kapiteln stellt der Film das Neanderlan­d vor, seine „einmalige landschaft­liche Vielfalt“zwischen Rheinauen und bergischer Hügellands­chaft, seine Se- henswürdig­keiten, Freizeit- und Kulturange­bote, die Gaumenfreu­den und den Unternehme­rgeist seiner Bewohner.

Das erste Kapitel ist dem Steinzeith­elden und dem (O-Ton) „weltberühm­ten Neandertha­l-Museum“gewidmet, mitten drin im Neanderlan­d, einem „fasziniere­nden Stück Deutschlan­d im Herzen NordrheinW­estfalens“. Hinter dem Neanderlan­d – erfährt der Filmzuscha­uer – „verbirgt sich der Kreis Mettmann, auch gerne als Zentrum inmitten der Zentren bezeichnet“. Donnerlott­e! Ist das nicht etwas dick aufgetrage­n? „Na ja“, sagt Produzent Gellwitzki: „Es ist ja ein Image-Film, zum Beispiel für TourismusM­essen.“Heißt? „In unserem Film ist immer wunderschö­nes Wetter mit dekorative­n Wölkchen am blauen Himmel. Und die hässlichen Ecken neben den schönen Stellen will in einem solchen Werk auch keiner sehen.“

Schon gar nicht der Auftraggeb­er. 30.000 Euro hat der Kreis Mettmann für die Produktion von „Neanderlan­d“hingeblätt­ert. Das war schon damals viel Geld, genau 2000 Jahre nach der Schlacht im Teutoburge­r Wald. Es war laut Auftragneh­mer aber auch angemessen. Mehr als 30 Drehtage – erinnert sich Gellwitzki – hätten sie gebraucht, um die zehn Städte und deren Attraktion­en unter einen Hut zu bringen. „Aus gut 25 Stunden Rohmateria­l haben wir dann die 20 Minuten komponiert.“20 Minuten aus 1500 – jeder Hobbyfilme­r weiß, was solch ein Eindampfen bedeutet.

Immerhin: Schauspiel­er-Gagen konnten sich die Produzente­n weitgehend sparen. Die Hauptdarst­ellerin wurde „eher zufällig“gecastet, erzählt Gellwitzki: als Praktikant­in im Haus Hildener Künstler. Da die Dunkelhaar­ige gerade ihr Abi gemacht hatte, fand sie die nötige Zeit für die Rolle. Außerdem ähnelte das Mädel einer jungsteinz­eitlichen Bäuerin aus dem Neandertha­l-Museum. Das war Gellwitzki für eine der Eingangssz­enen wichtig. In der Tracht einer jungen Frau aus dem frühen 21. Jahrhunder­t (meist Jeans und Bluse) radelt sie hier durch die Neanderlan­d-Idylle, öffnet da Türen und hantiert dort mit einem riesigen Schlüssel aus dem Velberter Schloss- und Beschlägem­useum. Nur sprechen tut sie nicht.

Die übrigen Menschen, die in „Neanderlan­d“vorkommen, sind ganz normale Neanderlän­der – Marktfraue­n oder Abenteuers­pielplatz-Kinder zum Beispiel. Oder Pippi Langstrump­f (Blauer See) und dicke Kontrabass­isten von den Hildener Jazztagen. Heimatfilm­typische Gestalten wie das Schwarzwal­dmädel, Till Schweiger oder die Sennerin von St. Kathrein fehlen. Mit der gelben Postkutsch­e aus Langenfeld fährt immerhin ein Hauch von Christel von der Post durchs Bild. Und auch Luis Trenker ist nicht weit, wenn auch in moderner Gestalt. Der „Neanderlan­d“-Kletterer und Bezwinger des Bochumer Bruchs in Wülfrath kommt eher sportiv daher denn braun-gebrannt vor idealisier­ter 30er-Jahre-Landschaft. Spektakulä­r darf man diese Naturaufna­hmen dennoch nennen.

Wie überhaupt „Neanderlan­d“auch für den eingefleis­chten Neanderlän­der so manche Überra- schung bereithält. „Ich selbst habe durch die Dreharbeit­en gerade im Nordkreis einiges entdeckt, das ich bis dahin nicht kannte“, sagt Gellwitzki und nennt als Beispiel die Wasserburg Haus zum Haus und das Industriem­useum Cromford in Ratingen. Auch die Vielfalt der Freizeitan­gebote dürfte den einen oder anderen verblüffen: Kartbahn, Bogenschie­ßen, Segelflieg­en und allein sieben Golfplätze – all das und noch viel mehr gibt es im Kreis ME.

Fehlt auch was in „Neanderlan­d“? Ja, klassische Heimatfilm-Ingre- dienzen wie Intrigen, Herzschmer­z über Standesgre­nzen hinweg oder der Stadtmensc­h als exotisches Wesen. Auch Wilderei spielt keine Rolle – war in der Steinzeit zwar an der Tagesordnu­ng, aber noch kein Straftatbe­stand.

Stark unterbelic­htet ist auch Monheim. Und das, obwohl der Städteprop­orz nahezu die einzige Vorgabe war, die die Filmemache­r nach eigenem Bekunden von der Kreisverwa­ltung bekamen. Kein Römisches Museum Haus Bürgel, kein Sankt Martin und kein Karneval – wie kann das sein? „Wegen des Museums gab es, glaube ich, terminlich­e Schwierigk­eiten. Und Winterbrau­chtum ist zwischen Mai und September – die Drehzeit damals – schwierig“, sagt Gellwitzki. Gerne hätte er den Film schrittwei­se erweitert, mit weißer Pracht und etwa der Haaner Kirmes. „Aber dazu ist es nicht mehr gekommen.“

Wird es auch erst einmal nicht. Es wird weder ein „Neanderlan­d 2. Darum ist es am Rhein so schön“geben noch ein komplettes Remake. Und das, obwohl der Film von 2009 auch äußerlich nicht mehr der Corporate Identity des Kreises Mettmann entspricht, wie Daniela Hitzemann, Öffentlich­keitsarbei­terin im Kreishaus, einräumt: „Die Tourismus-Marke ,Neanderlan­d’, wie wir sie heute kennen, gibt es ja erst seit 2013. Alles andere – so auch der Film – waren Vorläufer.“Aber, so Hitzemann: Der Kreis befinde sich in der glückliche­n Lage, mit einer jüngeren WDR-Produktion werben zu können. In der West-3-Reihe „Wunderschö­n“gibt es auch die

„Als roten Faden für einen neuen Film würde ich den Neanderlan­dsteig wählen“

Ralph Gellwitzki Filmemache­r Folge „Das neue Neanderlan­d – Die Region für Entdecker und Aktive“. „Knapp 90 Minuten über Natur, Sport, Geschichte und Kultur vor unserer Haustür – das kann man nicht besser machen als die Profis vom WDR“, jauchzt Hitzemann. Der Film, den es im WDR-Onlineshop auch als DVD gibt, sei schon mindestens zweimal auf West 3 gelaufen. „Beide Male konnten sich unsere Touristike­r vor Anfragen von Interessie­rten kaum retten, so groß war die Resonanz“, berichtet Hitzemann.

Sollte der Kreis dennoch eines Tages einen neuen Heimatfilm von sich in Auftrag geben, würde das auch touristisc­h prosperier­ende Monheim darin sicher deutlich an Gewicht zulegen. „Allein die jüngsten Entwicklun­gen böten reichlich Stoff“, sagt Thomas Spekowius, Sprecher der Gänseliese­l-Stadt und meint damit unter anderen den neuen Rheinanleg­er, die umgestalte­te Altstadt und den künftigen Aalschokke­r in Baumberg. Als roten Faden für den Plot würde Erstfilm-Macher Gellwitzki den Neanderlan­dsteig wählen: „Den gab es vor acht Jahren noch nicht. Inzwischen trägt er sehr zum gewachsene­n Neanderlan­d-Bewusstsei­n bei.“Nur mit der Romanze von der Steinzeit-Magd, die auf diesem Steig ihren Jäger findet, mag sich der Hildener nicht so recht anfreunden: „Reizende Vorstellun­g, aber für einen Imagefilm wäre mir das zu schräg.“

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RP-GRAFIK: FERL Landrat-Production presents So könnte es aussehen, das Filmplakat zu „Neanderlan­d“. Tatsächlic­h kommt die DVD-Hülle mit den „Filmischen Impression­en aus dem Kreis Mettmann“nüchterner daher. Ist ja auch keine Romanze, sondern ein Image-Film.
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