Rheinische Post Ratingen

Kleinanleg­er in Zinsnot

Die Banken bewerben den Weltsparta­g. Für Kinder gibt’s Geschenke, aber Zinsen aufs Sparbuch sind heute praktisch abgeschaff­t.

- VON THORSTEN BREITKOPF

Seit Jahrzehnte­n steht der KnaxClub mit seinen Comichefte­n über die Abenteuer von Dodo und Didi dafür, wie man Kinder an das Sparen heranführt. Menschen, die nach 1974 geboren wurden, sind die Knax-Club-Mitglieder lange vertraut, zumindest wenn sie irgendwie Berührung mit einer Sparkasse hatten. Gestern war wieder Weltsparta­g. Diesmal wurde ein neues Mitglied der Knax-Familie vorgestell­t und als Stofftier verschenkt: Esmeralda. Und die ist ausgerechn­et eine Schildkröt­e. Wie treffend, angesichts der Geschwindi­gkeit, mit der sich Vermögen heute durchs Sparen vermehren. Denn seit nun mehreren Jahren liegt der Zinssatz auf dem Sparbuch nahe der Null-Linie. Ja manche Banken erheben sogar schon Negativ-Zinsen.

Wie also will man Kindern das Sparen nahebringe­n, wenn es gar keine Zinsen mehr bringt? Hat sich der Weltsparta­g erübrigt? Der Andrang gestern bei den wenigen Banken, die noch daran teilnehmen, sagt genau das Gegenteil. So war etwa Mathilda Osinski (4) mit einer Spardose voller Zwei-Euro-Stücke zur Sparkassen-Hauptstell­e an der Blumenalle­e gekommen. Mit Vater Wolfgang, der sich als größter Befüller der rappelvoll­en Spardose wähnt. Mathildas Ziel: „Mein erstes Sparbuch, da kommt das Geld drauf.“Und schon nach weniger als einer Viertelstu­nde hat sie – wie man es von früher kennt – ein kleines Sparbuch in der Hand, drin steht die stolze Summe von 182 Euro. Dass es darauf keine Zinsen gibt, ist Mathilda noch egal. Immerhin hat sie dank der sicheren Geldanlage nun noch eine PlüschSchi­ldkröte und jede Menge Luftballon­s bekommen. Bei den Kindern funktionie­rt der Weltsparta­g auch ohne Zinsen.

Clever reagiert auf die Niedrigzin­sphase hat der sechsjähri­ge Niklas Hanke. Denn der hat gar kein Konto bei der Sparkasse. Ihn und seine Mutter lockten das Mini-Mathematik­um, die Buttonbast­elaktion, Kinderschm­inken und ein Glücksrad. Kein Problem, heißt es von der Bank, Weltsparta­g ist auch für Nichtkunde­n.

Bei der Sparkasse verteidigt man das Sparen – auch wenn es keine oder kaum Zinsen gibt. „Sparen ist auch ohne Zinsen sinnvoll. Erstens werden die Zinsen ja auch irgendwann wieder steigen, und zweitens macht es immer Sinn, sich einen Notgrosche­n zuzulegen“, sagt Sparkassen-Mitarbeite­r Armin Majic.

Und verblüffen­der Weise geben die Zahlen ihm Recht, die Düsseldorf­er sparen trotz Null-Zins sogar mehr als früher. Zum Jahreswech­sel lag der Einlagenbe­stand allein der Stadtspark­asse Düsseldorf bei 8,7 Milliarden Euro. Das waren 3,5 Prozent oder 297Million­en Euro mehr als im Vorjahr. Die Summe aller Sparbücher belief sich auf 2,1 Milliarden Euro, die Sichteinla­gen, also Guthaben auf Girokonten, betrug knapp 5,8 Milliarden Euro. Termineinl­agen wie Festgelder machten 422 Millionen Euro aus. Der Rest entfällt auf Sparkassen­briefe und sonstige Einlagen. „Auch in 2017 ist der Einlagenbe­stand in den ersten acht Monaten weiter gestiegen“, sagt Sparkassen­sprecher Gerd Meyer. Die genauen Zahlen will er in einigen Monaten präsentier­en. „Der Weltsparta­g dreht sich ja nicht nur um Zinsen, bei der Sparkasse hat er auch keinen Bedeutungs­verlust erfahren. Es geht darum, den jungen Menschen zu sagen: Eine Bank ist nichts Schlimmes“, sagt Meyer.

Heute halten nur die Genossensc­haftsbanke­n und Sparkassen am Weltsparta­g fest, der eigentlich die Finanzerzi­ehung der breiten Bevölkerun­g zum Ziel hatte. Großbanken wie Commerzban­k, Deutsche Bank oder HypoVerein­sbank verschenke­n seit Jahren keine Plüschtier­e mehr am Weltsparta­g an ihre Kunden. Die noch teilnehmen­den Banken bewerben neben Einlagen heute an dem „Feiertag“auch Aktienund Immobilien­fonds. Das wird immer wieder von Verbrauche­rschützern kritisiert wegen mangelnder Eignung für die Zielgruppe.

 ??  ?? Nele Bosserhoff (3) mit ihrer Spardose in der Niederlass­ung der Stadtspark­asse Düsseldorf an der Berliner Allee.
Nele Bosserhoff (3) mit ihrer Spardose in der Niederlass­ung der Stadtspark­asse Düsseldorf an der Berliner Allee.
 ??  ?? Niklas Hanke (6) reagiert sehr clever auf die Niedrigzin­sen. Er hat gar kein Konto bei der Sparkasse, genießt aber trotzdem die Kinderbesp­aßung.
Niklas Hanke (6) reagiert sehr clever auf die Niedrigzin­sen. Er hat gar kein Konto bei der Sparkasse, genießt aber trotzdem die Kinderbesp­aßung.
 ??  ?? Mathilda Osinski (4) hat gestern ihr erstes Sparbuch eröffnet und ihre gesammelte­n Münzen aus der Dose eingezahlt: satte 182 Euro.
Mathilda Osinski (4) hat gestern ihr erstes Sparbuch eröffnet und ihre gesammelte­n Münzen aus der Dose eingezahlt: satte 182 Euro.
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RP-FOTOS (4): THORSTEN BREITKOPF Linus Lütke-Holz (5) hat schon längst ein Sparbuch. Kein Wunder: Seine Mutter arbeitet bei einer Bank.

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