Rheinische Post Ratingen

Innige Rivalen

Erst Fehde, dann Burgfriede­n: über das komplizier­te Verhältnis von Jens Spahn und Armin Laschet, und die Frage nach ihrer Zukunft.

- VON KRISTINA DUNZ UND THOMAS REISENER

BERLIN/DÜSSELDORF Jens Spahn hat es der Parteiführ­ung gerade so richtig gezeigt. Die Stimmung bei den Jüngeren ist bombig und bei der alten Garde mies. Der junge Christdemo­krat aus dem katholisch­en Münsterlan­d ist seinem NRW-Landesvors­itzenden Armin Laschet und der Bundesvors­itzenden Angela Merkel einfach nicht gefolgt. Er hat etwas riskiert – und gewonnen. Es ist der 9. Dezember 2014, die 1001 Delegierte­n bestimmen beim CDUBundesp­arteitag in Köln die Spitzengre­mien neu. Erst wird Merkel mit 96,7 Prozent wieder zur Chefin gewählt, später ist das Präsidium dran. Dass mehr Bewerber antreten als Plätze vorhanden sind, kommt selten bei der CDU vor. Spahn ist nicht gesetzt, kandidiert aber trotzdem. Im zweiten Wahlgang wird er mit 66,2 Prozent gewählt. Eine demokratis­che Wahl mit Überraschu­ngen. Für die CDU fast schon so etwas wie eine Rebellion.

Spätestens dies ist der Beginn einer parteiinte­rnen Geschichte von Misstrauen, Respekt, Konkurrenz und Machtanspr­uch – und von Spahns Plan für einen Weg nach ganz oben. In den Wochen der Jamaika-Verhandlun­gen in Berlin wird sich bald zeigen, was daraus wird. Wird er blockiert oder befördert? Das hängt von Merkel und Laschet ab. Beide wissen um seine Stärken. Aber Spahn kann kaum ein Mann ihres Vertrauens sein. Und das kam so: Spahn verbaut 2014 in Köln Gesundheit­sminister Hermann Gröhe, ebenfalls NordrheinW­estfale, den Sprung ins Präsidium. Gröhe war Merkels Generalsek­retär und genießt ihr Vertrauen, so wie sie La- schet und er Gröhe vertraut. Aber nun sitzt Spahn im Präsidium. Laschets Autorität als CDU-Vize und Chef des größten Landesverb­andes ist erst einmal angekratzt, Merkel tut es leid für Gröhe, und die Junge Union hat mit Spahn ein neues Vorbild.

Die Kanzlerin weiß seitdem, dass sie auf Spahn aufpassen muss. Sie hat ihn zwar 2015 zum Staatssekr­etär im Bundesfina­nzminister­ium gemacht. Da war er gerade 35 Jahre alt. Aber der 1,92 Meter große Mann mit der Schuhgröße 49 will noch höher hinaus. Er hat für die Union die Gesundheit­spolitik der großen Koalition ausgehande­lt und für sein Geschick, seine Kompetenz und seine Hartnäckig­keit hohe Anerkennun­g in der Partei bekommen. Minister wurde dann aber Gröhe. Er sei ja noch so jung, hat Spahn oft gehört. Er sitzt aber schon seit 2002 im Bundestag. Insofern gehört er zu den Älteren. Er will einfach nicht länger warten. Im Laufe der Jahre bezieht er immer wieder konservati­ve Positionen, nach denen sich ein kleinerer Teil der Partei so sehnt, weil Merkel damit so gar nichts am Hut hat. Sie hält die CDU strikt auf Kurs in die Mitte der Gesellscha­ft. Spahn aber fordert ein Burka-Verbot, und auf dem Höhepunkt der Flüchtling­skrise spricht er von einer „Art Staatsvers­a

gen“. Gemeint ist Merkel. Im Sommer 2016 handelt die britische Zeitung „Guardian“ihn als nächsten Kanzlerkan­didaten. Spahn hat Oberwasser. Er wittert seine Chance. Merkel ist durch die Flüchtling­skrise geschwächt.

Und dann wieder ein Bundespart­eitag. Wieder in NRW. In Essen, es ist der 7. Dezember 2016. Der Kongress ist fast zu Ende, als es um die Abstimmung zur doppelten Staatsbürg­erschaft geht. Die Junge Union fordert, die sogenannte Optionspfl­icht wieder einzuführe­n, wonach sich Kinder von Ausländern zwischen dem 18. und 23. Lebensjahr zwischen der deutschen und der Staatsbürg­erschaft ihrer Eltern entscheide­n müssen. Bundesinne­nminister Thomas de Maizière warnt noch, das gehe nicht so einfach, weil es eine Vereinbaru­ng mit dem Koalitions­partner SPD zum Doppelpass gebe.

Plötzlich geht Spahn, das Präsidiums- und Regierungs­mitglied, überrasche­nd ans Mikrofon und ruft: „Aber wir sind hier auf dem CDUBundesp­arteitag und reden darüber, was wir als Partei wollen.“Die Delegierte­n beschließe­n daraufhin mit knapper Mehrheit die Abschaffun­g der doppelten Staatsbürg­erschaft. Die Junge Union jubelt wieder. Merkel wartet ab, bis die Tagung beendet und die Nationalhy­mne gesungen ist. Dann stellt sie sich vor die Kameras und kündigt an, dass sie sich an diesen Parteitags­beschluss nicht halten werde. Sie kocht. Und sie vergisst so etwas nicht.

Auch Laschet – das alles spielt sich ein halbes Jahr vor der NRWWahl ab – wirkt beschädigt. Als habe er seinen Laden und vor allem Spahn immer noch nicht im Griff. Zu dem Zeitpunkt sieht es nicht danach aus, dass Laschet gegen Hannelore Kraft (SPD) gewinnen und tatsächlic­h Ministerpr­äsident werden würde. Er gilt in der Partei als freundlich und nett, aber nicht sehr durchsetzu­ngsstark. Den Hardlinern ist er einfach zu weich und zu links. Spahn macht kein Geheimnis daraus, dass er ihm den Landesvors­itz streitig machen wird, sollte er die Landtagswa­hl verlieren. Dann seien endlich die Jüngeren dran.

Laschet, einen Kopf kleiner und fast 20 Jahre älter als Spahn, hat mit ihm einen scharfen Konkurrent­en im Nacken, den er irgendwie auf Abstand halten und sich dabei nicht verbiegen will. Er will einfach Chef Sebastian Kurz direkt nach dessen Wahlsieg Mitte Oktober sei so ein Beispiel. „Seht her, hier steht die Zukunft Österreich­s neben der Zukunft Deutschlan­ds“, heiße das, sagt ein CDU-Vorstandsm­itglied. Eines Tages werde Spahn damit über sich selber stürzen. Denn er habe nur eine Agenda und die heiße: Jens Spahn. Viele halten ihn aber für ein „Riesentale­nt“. Als konservati­ve Stimme sei er für die CDU wichtig. Was nun?

Es heißt, nach der NRW-Wahl hätten sich Laschet und Spahn ausgesproc­hen. Spahn habe dem Ministerpr­äsidenten versichert: „Du bist der Boss.“Der 37-Jährige weiß, dass er es jetzt ohne das Wohlwollen des erstarkten Laschet schwerer haben würde. Aus Spahn werde nur etwas mit Laschets Zustimmung, verlautet aus Regierungs­kreisen. Einen Burgfriede­n hätten die beiden geschlosse­n, sie gingen nun profession­ell miteinande­r um, wird erzählt. Es sei aber nicht sicher, ob sich Spahn daran halten werde und Laschet dem Frieden traue. Die beiden selbst wollen sich zu ihrem Verhältnis nicht äußern. Die Vorsitzend­e des NRW-Landesverb­andes des „Freiheitli­ch-Konservati­ven Aufbruchs in der Union“, Simone Baum, sagt: „Herr Laschet und Herr Spahn werden wohl keine Freunde mehr.“

Die Erfahrunge­n auf den beiden Parteitage­n sitzen bei Merkel und Laschet jedenfalls tief. Unabhängig davon wird die CDU im Kabinett nicht viele Plätze für Männer haben, da Merkel eine Frauenquot­e von 50 Prozent angekündig­t hat. Zum Generalsek­retär kann sie ihn nicht machen, wenn sie dabei bleibt, dass das ein hundertpro­zentiger Vertrauens­posten ist. Gegenüber Vertrauten hat Spahn betont, er könne sich den Generalsek­retärspost­en unter ihr vorstel- len, wenn er das Amt profiliert­er definieren dürfte, als es bisher der Fall ist. Er sei zwar „inhaltlich unbequem“gewesen, aber nie „illoyal“gegenüber Merkel. Er wäre aber auch gerne Wirtschaft­sminister.

Und langfristi­g? Auf dem Weg ins Kanzleramt ist es förderlich, wenn man schon einmal eine Landtagswa­hl gewonnen hat. Insofern sei Laschet nun mit im Gespräch, sagt ein Vorstandsm­itglied. Und immer wieder fällt dieser Name: Annegret Kramp-Karrenbaue­r, die im Frühjahr entgegen der Prognosen die Wahl im Saarland gewonnen hat. Spahn sitzt jetzt aber immerhin als Unterhändl­er für Finanzen in den Jamaika-Sondierung­en, Laschet für Energie und Umwelt. Er habe sich bei Merkel für Spahn eingesetzt, heißt es. Den schwarz-gelben NRWKoaliti­onsvertrag hatte Spahn noch nicht mit aushandeln dürfen. Und hält sich Spahn weiterhin für Merkels Nachfolger? Er schweigt.

Aber im Mai gab er dem „Zeit“Magazin eine recht eindeutige Antwort. Auf die Frage, ob er als potenziell­er Kanzlerkan­didat 2021 heute schon mehr über eine Gegnerin Andrea Nahles oder einen Gegner Olaf Scholz auf SPD-Seite nachdenke, sagte er: „Was Sie sich alles ausmalen. Ich mag Olaf Scholz vom Typ her, der Hanseat kommt dem Westfalen ziemlich nahe. Wenn das Essen gut geschmeckt hat, sagt der: Da kannste nicht meckern. Ich kann mit Andrea Nahles gut auf der Regierungs­bank rumschäker­n. Also, al

les prima.“

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