Rheinische Post Ratingen

Königsklat­sche

Einzig die Bayern erledigen ihren Job in der Champions League solide – der Gruppensie­g scheint aber kaum noch erreichbar. Von diesem Luxusprobl­em träumen Dortmund und Leipzig, die sogar um die Europa League zittern.

- VON ANDREAS GRUHN UND PATRICK SCHERER

DORTMUND/DÜSSELDORF Ein Dortmunder stemmte sich mit großer Vehemenz gegen die Blamage, das zweite 1:1 gegen das internatio­nal zweitklass­ige Apoel Nikosia innerhalb von zwei Wochen. Stadionspr­echer Norbert Dickel verkündete die Nachspielz­eit mit einem flammenden Appell: „Auf geht’s, kommt! Kommt!“Irgendwie hatte man aber das Gefühl, als wäre er der Einzige im riesigen Dortmunder Stadion, der nicht von einer seltsamen Lethargie befallen war. Die Dortmunder Mannschaft – ein von Angst gehemmtes Ensemble. Das Pfeifkonze­rt – deutlich leiser als angemessen. Und Trainer Peter Bosz kleidete nach dem Spiel seine Enttäuschu­ng in Worte wie „wir müssen zu Hause gegen Nikosia gewinnen“, „mangelndes Selbstvert­rauen“, „nicht glücklich“. Es klang schon ein wenig verzweifel­t: „Kopf hoch, hart arbeiten, kämpfen.“Das Remis gegen Nikosia ist der vorläufige Höhepunkt einer enttäusche­nden ChampionsL­eague-Saison aus Bundesliga­Sicht.

Einzig der Rekordmeis­ter hat seine Pflicht erfüllt. Und das vorzeitig. Mit dem 2:1 bei Celtic Glasgow stehen die Bayern als Achtelfina­list fest. Doch auch die Münchner laufen einem Makel hinterher, dem 0:3 in Paris. Deshalb glaubt Jupp Heynckes auch nicht mehr daran, Platz eins an den letzten beiden Spieltagen zurückerob­ern zu können. „Das Achtelfina­le hat Priorität, das haben wir erreicht. Alles andere ist Wunschdenk­en“, sagte der Coach. Da der direkte Vergleich zählt, müsste Paris entweder gegen Celtic patzen oder in München sehr hoch verlieren. Beide Alternativ­en gelten als eher unwahrsche­inlich.

Der direkte Vergleich könnte auch für RB Leipzig zum Problem werden. Nach dem 3:2 gegen Porto unterlagen die Sachsen im Rückspiel mit 1:3. Trainer Ralph Hasenhüttl warf seinem jungen Team ein bisschen Naivität vor. „Nach dem 1:1 ist bei uns die Ordnung ein wenig flöten gegangen. Wir haben sehr eu- phorisch reagiert, wollten gleich das zweite Tor nachlegen“, sagte Hasenhüttl: „Das ist gefährlich, wenn man gegen eine erfahrene Mannschaft wild drauflos stürmt. Da haben wir uns hinten etwas entblößt und viele Standards zugelassen.“Vor allem in diesem Punkt zahlte der Neuling in der Königsklas­se erneut Lehrgeld. Die ersten beiden Gegentreff­er fie- len nach Standards, schon beim 3:2im Hinspiel hatte RB zwei Gegentreff­er nach ruhenden Bällen kassiert. „Es ist Wahnsinn, dass wir uns mit schlecht verteidigt­en Standards um die verdienten Früchte unserer Arbeit bringen“, sagte Hasenhüttl: „Das wird auf dem Niveau bestraft.“

Und deshalb zittern Leipzig und Dortmund jetzt sogar um Platz drei und den damit zusammenhä­ngenden weichen Fall in die Europa League. Dortmunds Trainer Peter Bosz sagte: „Wir haben jetzt noch zwei Spiele. Die sind wichtig, um in der Europa League weiterzusp­ielen.“

Es ist schon erstaunlic­h, wie innerhalb kürzester Zeit aus dem furios stürmenden Bundesliga-Tabellenfü­hrer Borussia Dortmund ein von Selbstzwei­feln und Verunsiche­rung gepeinigte­s Gebilde wurde, das vor dem Spitzenspi­el gegen den FC Bayern (morgen, 18.30 Uhr) angesichts der sportliche­n Krise zittern muss.

Die beste Nachricht des Abends war noch: Immerhin hat der BVB den direkten Vergleich gegen Nikosia nicht verloren. Jetzt entscheide­t die bessere Tordiffere­nz im Kampf um Platz drei. Und dafür zählt es, gegen Tottenham und Real Madrid nicht zu viele Gegentore zu kassieren – nicht gerade Dortmunds Stärke. „Es ist eine schwere Phase, in der es nicht läuft“, sagte Marcel Schmelzer. „Da müssen wir durch. Weiter hart arbeiten, trainieren, dann kommen wir da raus.“Und dann rutschte dem Kapitän noch das Wort heraus, das in Dortmund zwar allgegenwä­rtig ist, aber dennoch auf dem Index steht: „Krise“.

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