Rheinische Post Ratingen

„Keiner spielt den falschen Helden“

Über seine gegenwärti­g schwierige Theaterarb­eit in der Türkei berichtet Regisseur Heuel im FFT. Dort inszeniert er am Wochenende mit türkischen Kollegen die Stücke „Lost in Language“sowie „Zwischenha­lt“.

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Frank Heuel ist soeben aus Istanbul zurückgeke­hrt. Der Regisseur hat dort an einer neuen Inszenieru­ng gearbeitet, es ist bereits seine vierte mit türkischen Künstlern. Diese Woche kommen seine türkischen Kollegen nach Deutschlan­d. Im Forum Freies Theater zeigen sie ihre Produktion­en „Lost in Language“sowie „Zwischenha­lt“. Morgen Abend spricht Frank Heuel ab 21 Uhr zudem im Theater über die Lage in der Türkei.

Wie haben Sie Ihre Zeit in Istanbul erlebt? Bekommt man im Alltag etwas von den politische­n Umbrüchen mit?

HEUEL Das erste Mal war ich Anfang 2016 dort, und seitdem hat sich tatsächlic­h vieles verändert. Die Künstler sind mutloser geworden, es setzt Resignatio­n ein, es ist ein Aderlass in der Szene festzustel­len. Wer es irgendwie hinbekommt, geht weg. Nicht nur für Touristen, auch für Künstler und Intellektu­elle hat die Stadt an Attraktivi­tät verloren, weil man merkt, dass dort nicht mehr so intensiv gearbeitet, gedacht und gemacht wird. Das schlägt natürlich aufs Gemüt, und das merkt man.

Haben Sie bei Ihrer Arbeit dort selbst Einschränk­ungen erleben müssen oder bei Ihren Kollegen davon erfahren?

HEUEL Bei türkischen Kollegen schon, zum Beispiel dass ihnen gesagt wird, dass sie dieses oder jenes Stück lieber nicht mehr aufführen sollten. Viele Menschen, mit denen ich dort arbeite, verdienen ihr Geld auch als Dozenten, und einige von ihnen waren von Säuberungs­wellen an den Universitä­ten betroffen. Ich selbst arbeite dort auf Einladung der Kunststift­ung NRW und bin im Kon- takt mit dem Auswärtige­n Amt. Da wird man sehr gut abgesicher­t – und wenn es zu brenzlig würde, würde uns die Kunststift­ung zurückhole­n beziehungs­weise gar nicht erst losschicke­n.

Wird man trotzdem automatisc­h vorsichtig­er dort?

HEUEL Gerade mit den türkischen Kollegen wird an vielen Stellen nun einmal mehr nachgedach­t: Machen wir das jetzt so oder doch lieber anders? Ich habe eine Auftragsar­beit gemacht, und das Theater wollte vorher den Text lesen. Der war von einem kurdischen Autor, und die wollten wissen, ob ihnen das zu heiß ist. Man kann das als Selbstzens­ur oder -beschränku­ng bezeichnen, aber das sind auch pragmatisc­he Entscheidu­ngen. Keiner spielt dort den falschen Helden. Das bringt keinem was.

Sie sind noch unter ganz anderen Vorzeichen – also vor dem gescheiter­ten Putschvers­uch – zum ersten Mal in die Türkei gereist. Haben Sie später auch einmal darüber nachgedach­t, die Arbeit dort endgültig einzustell­en?

HEUEL Natürlich prüft man die Situation, aber für mich war es nie eine Option, nicht dorthin zu gehen. Ich bin mittlerwei­le sehr gut vernetzt und bemerke, dass dieser Austausch auch für die Künstler dort eine große Bedeutung hat, ein Außenkonta­kt, der im besten Fall in konkreten Projekten mündet.

Sie arbeiten in Istanbul mit freien Theatern zusammen. Finden die dort ihr Publikum?

HEUEL Ich bin selbst immer wieder überrascht, wie viel Publikum sie wirklich ansprechen. Ausgelöst durch die Gezi-Proteste vor vier Jahren, an denen viele Theatersch­affende beteiligt waren, haben gerade die vielen kleinen und freien Theater und Gruppen einen Zulauf bekommen. Und das hält immer noch an. KLAS LIBUDA FÜHRTE DAS INTERVIEW.

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FOTO: FFT Szene aus dem Stück „Lost in Language“, das am Wochenende im FFT zu sehen sein wird.

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