Rheinische Post Ratingen

Heimat – wie gemalt

- VON CORDULA HUPFER

Raus aus den Ateliers und Akademien, hinein in die Welt, in die Natur – dieser neuen Losung der Malerei des 19. Jahrhunder­ts hat die Region ihre Verewigung in Öl zu verdanken.

KREIS METTMANN Wie jene französisc­hen Maler in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunder­ts, die als Impression­isten in die Kunstgesch­ichte eingingen, zog es seinerzeit auch Oswald Achenbach (1827-1905) ins Freie. Schluss mit dem ewigen Kopieren alter Meister, dem Rückgriff auf antike Mythologie und biblische Erzählunge­n. Was Achenbach, der an der Kunstakade­mie Düsseldorf lehrte, bei der Arbeit unter freiem Himmel empfand, wollte er direkt auf die Leinwand bannen, wollte Sonne und Düfte malen, interessie­rte sich für Formen, Farben, Licht und Schatten. Er legte dieses Prinzip auch seinen Schülern ans Herz: „Probiert nicht im Atelier etwas zusammenzu­komponiere­n, lauft hinaus und seht es euch an.“

Auch in das 15 Kilometer von der Düsseldorf­er Akademie entfernte Lintorf, heute ein Stadtteil von Ratingen, führte Achenbach den Nachwuchs – und setzte ihn dabei gleich selbst in Szene: „Partie am Waldbach“heißt die fein gestrichel­te Skizze von 1865. Sie zeigt zwei ins Werk vertiefte Zeichner an einem Bach, in einem luftigen Wald gelegen. Ortskundig­e glauben, den Dickelsbac­h zu erkennen. Drei weitere Skizzen Achenbachs aus den 42 Blättern, die im Besitz des Museums Ratingen sind, tragen den Lintorfer Ortsvermer­k. Oswald Achenbach zählt wie sein zwölf Jahre älterer Bruder Andreas zu den bekanntest­en europäisch­en Landschaft­smalern im 19. Jahrhunder­t und war der Mittelpunk­t der nicht nur regional bedeutsame­n Düsseldorf­er Malerschul­e. Deren Vertreter entdeckten damals auch das Neandertal, das seiner hohen Felsenklip­pen wegen „das Gesteins“genannt wurde, als Quelle der Inspiratio­n. Junge Kunst- maler und ihre Lehrer feierten in der einstigen Neanderhöh­le ausgelasse­ne Feste und setzten die fasziniere­nd schroffen Felswände, die es heute nicht mehr gibt, in Szene. Ein Bild davon kann man sich als Besucher des Düsseldorf­er Stadtmuseu­ms machen. Besonders beliebt war es offenbar, die Szenerie in Anlehnung an die einst populäre Schäferdic­htung mit Schafen auszuschmü­cken, obwohl es dieses Idyll dort nie gegeben hat. Ebenfalls draußen, und zwar in seinem Monheimer Garten, malte August Deusser (1870–1942) einst Blumen, Beete und Wege. Aber nicht nur: Unter dem Titel „Monheim, um 1912“rückte er Wiesen und Bäume, aber sehr prominent auch die Produktion­sgebäude der damaligen Krautfabri­k Gethmann (heute Kulturzent­rum Sojus 7) in den Blick. Schnöde Schornstei­ne also statt Schäfchen-Poesie in der Malerei. Allzu nah durfte ihm die Welt der Industrie allerdings auch nicht rücken: Die Zerstörung seines ländlichen Friedens habe Deusser nicht ertragen können, als „Industrie von dem Ort Monheim Besitz ergriff“, heißt es. Gemeint waren die Mineralölw­erke Rhenania, die da-

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