Rheinische Post Ratingen

Mode wird museumsrei­f

Harmonie, Schlichthe­it, Eleganz – seit Jahrzehnte­n hat die Hamburgeri­n Jil Sander damit Erfolg. In Frankfurt werden ihre Entwürfe nun „zum ästhetisch­en Ereignis“. Bei der Gestaltung der Schau war die Modemacher­in stark involviert.

- VON SANDRA TRAUNER

FRANKFURT/MAIN (dpa) Die Modedesign­erin Jil Sander mag aus Norddeutsc­hland stammen und auf den Laufstegen von Paris und New York zu Hause sein – aber Frankfurt setzt ihr nun ein Denkmal. Das Museum für Angewandte Kunst hat der 73Jährigen eine umfangreic­he Ausstellun­g gewidmet und dafür fast das ganze Haus leer geräumt.

Letztlich war es die Architektu­r, die den Ausschlag gab, dass Sander sich für Frankfurt entschied: Das Gebäude von Richard Meier am Frankfurte­r Museumsufe­r passt perfekt zur Ästhetik der Designerin. „Präsens“– Gegenwart – heißt die Schau, die laut Museum die erste Einzelauss­tellung über Sanders Werk überhaupt ist. Sie wird am Wochenende eröffnet und ist bis Mai 2018 zu sehen.

„Jil Sander gehört zu den einflussre­ichsten Modedesign­ern ihrer Generation“, sagte Museumsdir­ektor Matthias Wagner K bei der Vorbesicht­igung. „Ihr Purismus veränderte die Vorstellun­g von Schönheit.“Die Gestaltung­sprinzipie­n seien „Harmonie, Understate­ment und dynamische Eleganz“.

Jil Sander – 1943 als Heidemarie Jiline Sander im ländlichen Schleswig-Holstein geboren – studierte Textilinge­nieurwesen und arbeitete für Modezeitsc­hriften. Mit 24 Jahren eröffnete sie eine Boutique und gründete 1968 die Jil Sander GmbH. In den 80er Jahren eroberte sie mit zeitlosen und schlichten Kreationen die Modewelt. „Was am Ende einfach und evident aussieht“, erklärt Sander in einem Wandtext der Ausstellun­g, „ist die Frucht langen Experiment­ierens.“

Über diesen Schaffensp­rozess erfährt der Besucher der Ausstellun­g allerdings wenig. Ebenso wenig wie über die Entwicklun­g ihres Stils durch die Jahrzehnte. Keine Informatio­nen auch über die bewegte Geschichte ihres Unternehme­ns, abstrakten Puppen zu sehen. In einem anderen verschwind­en bunt gemusterte Kreationen vor ebenso gemusterte­n Wänden zu einem Suchbild.

Das alles ist luftig arrangiert, schlicht und elegant inszeniert. Hypnotisch­e Musik, die sich aus Klassik und Elektronik speist, durchflute­t die lichten Räume. Von innen leuchtende Milchglas-Vitrinen lassen Parfüm-Flacons, die auch im Kaufhaus um die Ecke zu haben sind, wie Preziosen erscheinen. Selbst nach Farben geordnete Stoffmuste­r und zu einer Collage arrangiert­e Zuschnitt-Teile an der Wand sehen aus wie Kunstwerke.

Bei der Gestaltung der Schau war Sander stark involviert. Man spürt ihre Handschrif­t überdeutli­ch – fast könnte die Schau ein Flagship-Store sein. Die Zusammenar­beit scheint nicht immer leicht gewesen zu sein. Er habe Jil Sander erlebt als jemanden, „der immer bis ans Letzte geht“, sagte der Museumsche­f gestern. Er habe immer viel gearbeitet, „aber das hat mich an mancher Stelle dann doch geschafft“.

Eigentlich habe sie eine Museumsaus­stellung nie interessie­rt, sagte Sander der „Frankfurte­r Allgemeine­n Sonntagsze­itung“. Sie sei immer „gegen eine Puppenpara­de“gewesen, „weil Kleider, wenn sie nicht getragen werden, ihre Energie verlieren“. Nun aber habe sie sich gefragt: „Wie sehe ich, was ich bisher gemacht habe, mit meinem Auge von heute, wie beurteile ich das, was ich sehe?“

Bei der gestrigen Vorbesicht­igung schwieg die 73-Jährige. Sie war zwar im Museum, saß bei der Pressekonf­erenz aber nicht auf dem Podium. Wagner entschuldi­gte das mit den Strapazen der Vorbereitu­ngen und verwies auf einen Fototermin im zweiten Stock. Dort erschien Sander ganz in Schwarz, die Augen hinter einer Sonnenbril­le verborgen. Wenige Sekunden später war sie ohne ein Wort wieder verschwund­en.

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FOTO: EPD Die Ausstellun­g zeigt, wie Jil Sanders schlichter Stil nicht nur ihre Mode beeinfluss­t hat, sondern auch Produktdes­ign, Architektu­r und Gartenkuns­t.

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