Rheinische Post Ratingen

Merz soll beim Brexit für NRW kämpfen

Die Wirtschaft lobt die Expertise des einstigen CDU-Spitzenpol­itikers. Die Opposition sieht in ihm einen Lobbyisten für Steuer-Tricks.

- VON MICHAEL BRÖCKER UND THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Die Meldung, dass Friedrich Merz neuer Brexit-Beauftragt­er der NRW-Landesregi­erung werden soll, verbreitet­e sich gestern wie ein Lauffeuer in der Union. Kaum einen Ex-Protagonis­ten aus den eigenen Reihen vermisst die Parteibasi­s so sehr wie den konservati­ven Sauerlände­r, der seine Bierdeckel-Steuerrefo­rm nicht durchsetze­n konnte und sich ab 2004 schmollend in Trippelsch­ritten fast ganz aus der Partei zurückzog.

Merz bestätigte den Bericht der „Bild“: „Das mache ich ausschließ­lich im Rahmen meiner berufliche­n Tätigkeite­n“, sagte er zu seiner neuen Aufgabe, „ich werde ehrenamtli­ch für die Landesregi­erung arbeiten und verstehe mich als Beauftragt­er nicht nur für den Brexit und Großbritan­nien, sondern auch für die Beziehunge­n zu Nordamerik­a.“Dort sehe er Potenzial, auch beim wirtschaft­lichen Austausch mit Kanada. Er freue sich, der Landesregi­erung helfen zu dürfen. Aber Merz betont: „Ein politische­s Comeback ist damit nicht verbunden.“

So schmerzhaf­t diese klare Absage an die Rückkehr in den politische­n Alltag für die bürgerlich-konservati­ven Merz-Fans in der Union auch ist: Sie deckt sich mit der Einschätzu­ng zahlreiche­r CDU-Insider. Merz ist 61 Jahre alt und inzwischen unter anderem Aufsichtsr­atschef des deutschen Ablegers des weltweit größten Vermögensv­erwalters Blackrock. Er war Partner der internatio­nalen Rechtsanwa­ltskanzlei Mayer Brown und hat sich als MultiAufsi­chtsrat unter anderem beim Versicheru­ngskonzern Axa, der Bank HSBC Trinkaus und der Deutschen Börse einen Namen gemacht. Finanziell­e Anreize kann die Politik ihm kaum noch bieten.

Politische Karrieremo­tive hat der 1,98-Meter-Mann wohl auch keine mehr. Obwohl die Parteibasi­s Merz bei seinen selten gewordenen Reden auf Parteivera­nstaltunge­n noch immer umjubelt. Aber innerlich scheint er mit seinem Dasein als Spitzenpol­itiker schon abgeschlos­sen zu haben, als er 2002 den entscheide­nden Machtkampf gegen die spätere Kanzlerin Angela Merkel verlor: Damals verdrängte sie den fulminante­n Redner, Wirtschaft­sund Finanzexpe­rten von der Fraktionss­pitze. Danach zog Merz sich auch von allen anderen Spitzenämt­ern in der Union zurück. Bemerkensw­erterweise stand er in der Öffentlich­keit jedoch auch danach stets loyal hinter Merkel.

Auch wenn Merz seine neue Funktion als Brexit-Berater des NRW-Minsterprä­sidenten nur ehrenamtli­ch wahrnimmt: Wenig Arbeit wird er damit nicht haben. Großbritan­nien ist nach den Niederland­en, China und Frankreich der viertwicht­igste Außenhande­lspartner Nordrhein-Westfalens – Waren und Dienstleis­tungen im Wert von gut 20 Milliarden Euro wechseln jährlich über den Ärmelkanal. Fast alle großen NRW-Firmen haben bedeutende Niederlass­ungen in England, umgekehrt prägen britische Unternehme­n wie Vodafone, BP und der Naturkosme­tik-Spezialist die NRW-Wirtschaft. 26.700 Briten leben in NRW.

Andreas Schmitz, Präsident der IHK Düsseldorf, verdeutlic­ht die Brisanz des EU-Austritts der Briten für NRW: „Wir fürchten, dass es angesichts fehlender Verhandlun­gsfortschr­itte zwischen EU-Kommission und britischer Regierung zu einem harten Brexit kommen wird. Ab 1. April 2019 wären dann für jedes Export- und Importgesc­häft Zollerklär­ungen abzugeben.“Die Wirtschaft brauche dringend Klarheit: „Wenn dies auch von einer so anerkannte­n Persönlich­keit mit analytisch­em Sachversta­nd wie Herrn Merz formuliert wird, ist das

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FOTO: LAIF Friedrich Merz (61)

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