Rheinische Post Ratingen

Viele neue Schuldner aus der Mittelschi­cht

Fast sieben Millionen Deutsche sind überschuld­et. Das heißt, sie können Rechnungen dauerhaft nicht bezahlen. Im Westen steigt die Zahl der Schuldner deutlich. Sorgenkind ist vor allem das Ruhrgebiet.

- VON THOMAS GRULKE UND CHRISTINA RENTMEISTE­R

DÜSSELDORF Die Zahl der Schuldner ist mit 6,91 Millionen im Vergleich zum Vorjahr um 0,9 Prozent gestiegen. Das geht aus dem Schuldnera­tlas von Creditrefo­rm hervor, einem Unternehme­n für Wirtschaft­sforschung. Die Überschuld­ungsquote ist hingegen von 10,06 Prozent auf 10,04 gesunken. Das liegt daran, dass die Bevölkerun­g in Deutschlan­d im vergangene­n Jahr durch Zuzug noch mal deutlich zugenommen hat. Denn die Quote bezieht sich auf den Anteil der überschuld­eten Personen im Verhältnis zu allen über 18-Jährigen in Deutschlan­d.

Schlechter als in Gesamtdeut­schland sieht die Situation im Westen aus. Dort drehe sich die „Überschuld­ungsspiral­e“deutlich schneller als im Osten, heißt es in dem Bericht von Creditrefo­rm. Vor allem die Fälle mit hoher Überschuld­ung sind gestiegen – um 1,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. 62.000 der neuen Schuldner leben in Westdeutsc­hland, 3000 im Osten.

„Dass insgesamt die Überschuld­ung etwas weniger stark angestiege­n ist als befürchtet, beruhigt mich nur ein wenig. Ich glaube nicht an eine Trendwende“, sagt Georg Eickel, Referent für Schuldnerb­eratung beim Paritätisc­hen Wohlfahrts­verband NRW. Das Problem aus seiner Sicht: Die sinkenden Arbeitslos­enzahlen bewirkten nichts Positives, da zu viele Menschen geringfügi­g bezahlt würden. Damit bleibe die Ein- kommensarm­ut bestehen. „Arbeit bedeutet dementspre­chend nicht, dass man aus dem Schneider ist. Dazu gehört auch, dass Fixkosten wie Mietbelast­ung und Energiekos­ten so hoch sind, dass zu wenig für den Rest übrig bleibt“, sagt Eickel. Besonders den Faktor der hohen Mietkosten sieht auch der Creditrefo­rm-Bericht als Problem. Bei Schuldnern würden die Wohnkosten durchschni­ttlich 46 Prozent des Einkommens ausmachen.

In Nordrhein-Westfalen liegt die Schuldnerq­uote mit 11,63 Prozent fast 1,6 Prozentpun­kte über der Bundesquot­e. Spitzenrei­ter bei den Bundesländ­ern ist Bremen (13,97 Prozent), gefolgt von Sachsen-Anhalt, Berlin und NRW. Insgesamt sind in NRW mehr als 1,7 Millionen Menschen überschuld­et. Das sind 17.000 mehr als im Vorjahr und 176.000 Schuldner mehr als vor 13 Jahren. NegativSpi­tzenreiter in NRW ist Wuppertal mit einer Überschuld­ungsquote von 18,38 Prozent. 2014 lag die Quote dort noch bei 17,77 Prozent. „Sorgenkind“sei aber vor allem das Ruhrgebiet, so die Experten von Creditrefo­rm. Mit seinen zum Teil noch altindustr­iell geprägten, struktursc­hwachen Regionen sei das Ruhrgebiet ein „Hotspot“sozialer Probleme. In vielen Städten dort ist die Überschuld­ung gestiegen. Herne (+2,93 Prozentpun­kte) Oberhausen (1,76) und Gelsenkirc­hen (1,52) haben dabei die höchsten Steigerung­sraten.

Während die Wissenscha­ftler in NRW Arbeitslos­igkeit und geringes

„Die Fixkosten sind so hoch, dass zu wenig für den Rest übrig bleibt“

Georg Eickel Referent für Schuldnerb­eratung beim Paritätisc­hen Wohlfahrts­verband NRW

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