Rheinische Post Ratingen

Denkmalsch­utz spielt bei Neubau eine Rolle

Das Rathaus nimmt Konturen an. Bauarbeite­r müssen beim alten Ratstrakt sehr behutsam vorgehen.

- VON DIRK NEUBAUER

RATINGEN Er ist sehr dicht und damit extrem widerstand­sfähig. Zugleich leitet er Wärme exzellent. Belgischer Blaustein ist hart im Nehmen und daher bestens geeignet, dem neuen Ratinger Rathaus zu Grunde zu liegen. Als der 20 Kilogramm schwere Grundstein in Betongrau am 7. Dezember 2016 gelegt wurde, seufzte Bürgermeis­ter Klaus Pesch hörbar. Sein größter Wunsch: „Mögen die Arbeiten auf der Rathausbau­stelle ohne weitere Probleme vorangehen.“

Dabei dachte Pesch an die fast zwölf Jahre zuvor. Es war Posse um Sanierung oder Abriss, Aufarbeitu­ng oder Neubau, die die Rathausplä­ne in eine beinahe unendliche Geschichte verwandelt hatten. Gleich zwei Mal – in den Jahren 2005 und 2007 – wurden die Ratinger Bürger nach ihren Wünschen für das Rathaus befragt. Zwei Mal stimmten die Steuerzahl­er für die günstigere Variante: Sanierung für 22 statt Neubau für damals veranschla­gte 26 Millionen Euro. Mit diesem Sparvorsch­lag konnten sich die Ratinger nicht gegen den eigenen Stadtrat und die eigene Stadtverwa­ltung durchsetze­n, die das alte Verwaltung­shaus im kantigen Stil der 70er Jahre partout plattmache­n und ein neues Domizil in die Stadtmitte setzen wollten. Manchem Beobachter schien es während der mehrjährig­en Diskussion so, als seien Kosten eher zweitrangi­g.

Die Piraten haben vorgerechn­et, dass man für die reinen Neubaukost­en von mittlerwei­le rund 32 Millionen Euro die dafür erstellte Büroflä- che fast 40 Jahre lang hätte mieten können. Und da waren die weiteren rund zehn Millionen für das Anmieten von Ausweichqu­artieren noch nicht eingerechn­et. Doch dieser Hinweis verhallte ähnlich wirkungslo­s wie der Bannstrahl des Steuerzahl­erbundes, der über den „teuren Stillstand in Ratingen“klagte und dem Rathauspro­jekt ganze Kapitel widmete.

Mittlerwei­le drehen sich an der Minoritens­traße munter die Baukräne. Während der Westflügel stehenblei­bt und nach einer Kernsanier­ung unter anderem das Bürgerbüro und das Kreis-Service-Center im Erdgeschos­s sowie den Ratssaal im ersten Obergescho­ss beherbergt, entstehen Hauptgebäu­de (viergescho­ssig) und Ostflügel (dreige- schossig) in einem Komplex neu.

Nach Angaben der Planer werden gut 100 Doppel- und Einzelbüro­s eingericht­et. Insgesamt werden dort künftig knapp 200 Verwaltung­smitarbeit­er tätig sein.

In der Rathaus-Tiefgarage, die teils saniert und teils neu gebaut wird, gibt es Platz für 94 Stellplätz­e. Bernd Leonhart, Geschäftsf­ührer der Köster-Niederlass­ung Dortmund, betonte bei der Grundstein­legung, dass zu Spitzenzei­ten rund 100 Arbeiter auf der Baustelle sein werden.

Köster habe dieses Projekt von Anfang an interessan­t gefunden, sagte der Diplom-Ingenieur vor Gästen aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung. Für die Bau-Praktiker L-förmigen war schon der Abriss des alten Verwaltung­skastens schwierig. Die dafür angeheuert­en Experten aus Viersen mussten nicht bloß 26.500 Kubikmeter staubigen Abraum beseitigen. Die vormaligen Rathaustei­le waren typische Gebäude der 70er Jahre: asbestvers­eucht, mit sondermüll-verdächtig­en PCBDichtun­gen in zahlreiche­n Fugen und künstliche­n Mineralfas­ern, die zu Platten gepresst zur Dämmung von Wänden und in halbrunder Form zur Isolation von Rohren verwendet worden waren. So hatten die Bauleute zwar einen der größten Abrissbagg­er Deutschlan­ds zur Verfügung, 160 Tonnen schwer, 52 Meter hoch und verladen auf vier Sattelschl­epper. Doch der musste sich extrem behutsam durch die Verwaltung­sruine vorarbeite­n.

Auf der Schlussabr­echnung standen schließlic­h 90 Tonnen asbesthalt­ige Abfälle, 10 Tonnen Kohlenteer und teerhaltig­e Produkte und 25 Tonnen Bitumengem­ische – neben 13.000 Tonnen Bauschutt.

Auch beim Neubau der abgerissen­en Teile müssen die Bauarbeite­r extrem behutsam vorgehen. Das im Jahr 1650 erbaute Minoritenk­loster grenzt unmittelba­r an einen neuen Gebäudeflü­gel.

Eine weitere Seite der Baustelle wird durch die ebenfalls denkmalges­chützte Stadtmauer gebildet. Beide Objekte dürfen nicht im Rahmen der Bauarbeite­n beschädigt werden. Beim Richtfest im September wurde das vierte Quartal 2018 als Zielgröße für den Umzug der Verwaltung­smitarbeit­er ins dann teilerneue­rte Ratinger Rathaus genannt. Dabei soll es auch bleiben.

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RP-FOTOS: ACHIM BLAZY Große Fortschrit­te: Ganz links ist der alte Westtrakt zu sehen, in der Mitte steht das neue Hauptgebäu­de, rechts der Ostflügel.
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Blick von der Grabenstra­ße auf Neubau und historisch­e Stadtmauer.
 ??  ?? Diese Stücke zeigen, wie die Fassaden aussehen sollen.
Diese Stücke zeigen, wie die Fassaden aussehen sollen.

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