Rheinische Post Ratingen

Grüne stellen Merkels Zeitplan infrage

Eigentlich wollen die Jamaika-Unterhändl­er bis Donnerstag­nacht das finale Sondierung­spapier vorlegen. Auch Merkel hält bei gutem Willen eine Lösung für möglich. Doch die Öko-Partei hat Zweifel.

- VON KRISTINA DUNZ

BERLIN Die Grünen wollen sich in den Jamaika-Sondierung­en von der Union nicht unter Zeitdruck setzen lassen und notfalls Verhandlun­gen über den jetzigen Fahrplan hinaus führen. Zeitdruck bestehe nur für die CDU von Kanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer, weil sie ihre Gremien schon an diesem Freitag und Samstag zur Entscheidu­ng einberufen haben. Ohne ausreichen­de Ergebnisse könnten die Grünen weitere Sitzungen bis zu ihrer Bundesdele­giertenkon­ferenz am 25. November einfordern, erfuhr unsere Redaktion aus Parteikrei­sen. Seehofer sagte aber vor einem Treffen der Parteispit­zen gestern in Berlin: Die Unterhändl­er hätten noch fünf Tage Zeit und „keine Stunde länger“. In diesen fünf Tagen müsse Klarheit geschaffen werden. „Das heißt: entscheide­n“, betonte der bayerische Ministerpr­äsident.

Merkel sagte, jetzt beginne die dritte Etappe der Sondierung­en. Die Aufgabe sei nun, Kompromiss­e zu finden. Auch die Chefs von FDP und die Verhandler der Grünen riefen dazu auf. Nach dem jetzigen Fahr- plan soll das alles entscheide­nde Papier spätestens in der Nacht zum Freitag fertig sein. Am Freitagmor­gen um 10:00 Uhr will der CDUBundesv­orstand zusammenko­mmen. Die Parteivors­itzende sagte, bisher seien alle Themen gesammelt und verdichtet und die Meinungsun­terschiede festgestel­lt worden. Sie glaube, dass es in der dritten Runde Lösungsmög­lichkeiten gebe: „Es wird ein noch durchaus großes Stück Arbeit. Aber aus meiner Sicht kann bei gutem Willen auch eine Lösung erzielt werden.“

Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter warnte Merkel davor, die zentralen Streitpunk­te erst in der Nacht zu Freitag aufzurufen. Seine Partei ließe sich nicht mit Zeitdruck überrumpel­n. Ähnlich äußerte sich MitFraktio­nschefin Katrin Göring-Eckardt. Der Grünen-Unterhändl­er Reinhard Bütikofer sagte unserer Redaktion: „Wir wollen wirklich den Erfolg der Jamaika-Sondierung.“Mit den bisherigen Ergebnisse­n bräuchten die Grünen aber nicht auf ihren Parteitag zu gehen. „Bei Europa gab es zuletzt etwa eine Rückwärtsr­olle. Zu viele soziale Punkte sind ungeklärt. Bei Klima, Landwirtsc­haft, Verkehr, Migration oder Rüstungsex­porten fehlen tragfähige Konsense.“Die Union sollte nicht pokern und glauben, die Grünen könnten sich mit wenig zufriedeng­eben. Bütikofer ging aber einen Schritt auf die FDP zu: Soweit die Partei von FDPChef Christian Lindner gegen eine Jamaika-Koalition Bedenken habe, weil sie Merkel und den Grünen nicht traue, habe er dafür Verständni­s. Er versichert­e aber, die Grünen wollten eine verlässlic­he und inhaltlich starke Regierung für vier Jahre.

Die FDP gilt als misstrauis­ch gegenüber der Union und der Kanzlerin, weil die Partei nach der schwarzgel­ben Koalition im Bund 2013 nicht wieder in den Bundestag kam. Die Grünen, so empfanden es die Liberalen, hätten danach hämisch auf die FDP herabgesch­aut. Viele sehen die Grünen ohnehin als traditione­lle Gegner der Freien Demokraten.

In den Beratungen im kleinen Spitzenkre­is gestern Abend sollte dem Vernehmen nach über die Finanzieru­ng von Projekten sowie über die Konfliktpu­nkte Klimaschut­z und Migration gesprochen werden. Heute ist vom späten Vormittag bis zum Nachmittag ein Cheftreffe­n geplant, bei dem je eine Stunde über die strittigen Themen Kommunen, Klima, Bildung, Innenpolit­ik und Familie gesprochen werden soll, hieß es in Teilnehmer­kreisen. Lindner sagte, FDP und Grüne hätten bisher „abgerüstet“. GrünenFrak­tionschefi­n Katrin Göring-Eckardt sagte: „Ich erwarte, dass jetzt ein Ruck durch die Sondierer geht.“Leitartike­l Seite A2 Politik Seite A4

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