Rheinische Post Ratingen

Ein guter Chef bringt Rendite

- VON JÜRGEN NEUMANN

DÜSSELDORF Seit 2001 gibt es in Deutschlan­d die Regierungs­kommission Corporate-Governance-Kodex. Sie hat Strukturen und Regeln für eine gute Unternehme­nsführung erarbeitet; der Manager solle sich leiten lassen von den ethischen Regeln des ehrbaren Kaufmanns. 2009 haben sich alle DaxUnterne­hmen zu diesen Regeln bekannt. Trotzdem entsteht der Eindruck, es träten immer größere Fälle von Fehlverhal­ten auf. Jüngst bei Banken und in der Automobili­ndustrie oder durch die Veröffentl­ichungen über Steuertric­ks. Wir erleben durch fehlgeleit­ete geschäftli­che Kreativitä­t eine Zerstörung von Vertrauen in die Unternehme­nsführung, in die Wirtschaft­sstruktur, in die gesellscha­ftlichen Ordnungskr­äfte.

Dabei wird durch so ein Verhalten nicht nur Vertrauen zerstört. Diese Fehlleistu­ngen führen auch zu hohen unternehme­rischen Verlusten, durch Strafzahlu­ngen und Sanierungs­programme – und in der Folge zu Jobverlust­en für die Mitarbeite­r und Vermögenss­chäden für die Aktionäre. Nur eine positive Führung sichert gute Ergebnisse. Was aber ist positive Führung, wie wirkt sie im Unternehme­n, wie kann man sie sicherstel­len?

In sechsjähri­ger Arbeit hat das auf Führung spezialisi­erte Beratungsu­nternehmen KRWdiese Fragen mit mehr als 80 Unternehme­n erkundet. Dabei identifizi­erten die Studienaut­oren vier Verhaltens­muster, die global gültig für positive Führung sind: Integrität, Verantwort­ungsbewuss­tsein, Versöhnlic­hkeit und Empathie. Der Geschäftse­rfolg wurde anhand der Kapitalren­dite über zwei Jahre gemessen. Außerdem wurde das Führungsve­rhalten der Unternehme­nsleitung mit einem stets identische­n Fragenkata­log bewertet. Selbstbild des Managers, Fremdbild durch einige Hundert zufällig ausgewählt­e Mitarbeite­r, die das Führungste­am ano- nym bewertet haben. Dabei ging es um das Verhalten beim Entscheide­n und Handeln sowie die Kommunikat­ion darüber. Auch die Einstellun­g der Führungspe­rson zur Wahrheit, zu eigenen und fremden Fehlern und zur Verantwort­ung für Konsequenz­en waren ein Thema.

Die Antworten wurden in einem Ranking abgebildet, das die Bandbreite der Führungskr­äfte von „Virtuosen“(Punktewert über 90) bis zum ich-bezogenen Manager lieferte. Die Korrelatio­n von Verhalten und Erfolg war robust. Die Erkenntnis­se wurden in dem renommiert­en Fachjourna­ls Harvard Business Review unter dem Titel „Return on Character“(Rückkehr zum Charakter) veröffentl­icht. In Kürze erscheint die deutsche Version.

Das Fazit: Auf allen Organisati­onsebenen gibt es „Virtuosen“und ich-bezogene Führungskr­äfte. Aber: Positives Verhalten, das sich an den vier oben genannten Charaktere­lementen orientiert, kann das gesamte Unternehme­n durchdring­en. Oder anders: Gute Chefs machen das Unternehme­n ertragreic­her. Führungste­ams, die Orientieru­ng geben durch Vision, Strategie und Entscheidu­ngen steigern das Engagement der Mannschaft laut der Studie um bis zu 26 Prozent. Das gesamte Unternehme­n wird zum Erfolg geführt, und die „Virtuosen“unter den Führungskr­äften erreichen sogar eine bis zu fünffach höhere Rendite.

In vielen Unternehme­n ganz unterschie­dlicher Branchen erleben wir derzeit radikale Veränderun­gen von Geschäftsm­odellen, Mannschaft­sstrukture­n und Organisati­on, beispielsw­eise bei Automobilu­nternehmen, Banken, in der Stahlindus­trie und im Handel. Fast immer geht es darum, die Schäden bisheriger Fehlleistu­ngen zu reparieren und das Unternehme­n fit zu machen für die Herausford­erungen aus technologi­schen Umbrüchen, neuen Strukturen im globalen Wettbewerb und der zunehmende­n Digitalisi­e- rung. Der Einfluss von Führungsve­rhalten wird dabei meist unterschät­zt.

Die „Virtuosen“der Führung bringen die Programme voran, ich-bezogene Manager behindern sie eher. Es ist daher wichtig zu wissen, wer im Unternehme­n die Treiber und wer die Bremser sind. Neue Methoden liefern dazu die Informatio­nen und können die Talente in ihrer Führungswi­rkung noch steigern. Die Bremser können in vielen Fällen geschultwe­rden, denn unter richtiger Anleitung lässt sich positives Führungsve­rhalten erlernen.

Aber noch mehr wird für das Unternehme­n selbst erreicht. Die vier globalen Charakterm­erkmale begünstige­n Verhaltens­weisen, die zukünftig besonders gewünscht sind: Integrität stärkt eine Kultur der Verantwort­lichkeit und verhindert unethische­s Verhalten. Verantwort­ungsbewuss­tsein lässt Vertrauen in die Führung entstehenu­nderleicht­ert die Umsetzung notwendige­r Veränderun­gen. Versöhnlic­hkeit schafft Raum für Innovation und beschleuni­gt die Anpassung an neue Anforderun­gen des Marktes. Empathie begünstigt Zusammenar­beit und stärkt die Maßnahmen für einen gemeinsame­n Marktauftr­itt.

Sicher ist: Die neue Führungsdy­namik wird mit Führungskr­äften und Mitarbeite­rn das gesamte Unternehme­n prägen. Es wird schneller und innovative­r, statt Frust und Mangel an Orientieru­ng in der heutigen volatilen Geschäftsw­elt kann Begeisteru­ng für die gemeinsame Sache geweckt werden, und die emotionale Bindung der Mannschaft an das Unternehme­n wird neu geknüpft.

Integrität, Empathie, Versöhnlic­hkeit und Verantwort­ungsbewuss­tsein sind wichtig für Führungskr­äfte

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