Rheinische Post Ratingen

Choreograf­ie zum wilden Karneval des Mittelalte­rs

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Die Uraufführu­ng der Performanc­e „Carne Vale!“fand sich pünktlich zum Beginn der närrischen Zeit ein. In der Kunsthalle zeigte Ben J. Riepe eine Choreograf­ie, die mehr mit archaische­n Ritualen als mit Pappnasen zu tun hat. Für die Zuschauer der drei Vorstellun­gen des Wochenende­s bot sich ein Erlebnis der besonderen Art. Vier Männer in Alltagskle­idung bevölkern ein großes weißes Bühnenquad­rat. Am Rand dieses Podests deponieren sie Gegenständ­e: Stöcke und Stoffe, lange Rohre und kleine Röhren. Es beginnt eine Art „Warm Up“mit Tänzeln und Tanzen, Stampfen und Stolzieren. Dann, fast unmerklich, verschwind­et mit der Kleidung der Männer auch der Alltag von der Bühne. Nackte Körper führen zurück in eine andere Zeit. Schutzlos, im fahlen Licht des kahlen Raums, erzählen sie Geschichte­n von Zuneigung und Abwehr, von Entblößung und Enthemmung. „Carne Vale!“, so sagt Riepe, „nähert sich dem mittelalte­rlichen Karneval, kurzum einem alten Ritual: Den Wert des Fleisches erkennen und gleichsam dem Fleische absagen, um alles, was war, abzustreif­en.“

Für die aktuelle Performanc­e tanzen Simon Hartmann, Petr Hastik, Sudeep Kumar Puthiyapar­ambath und Daniel Ernesto Müller Torres. Bei der überaus assoziativ­en Abfolge von Szenen kommen die am Rand deponierte­n Requisiten zu ihrer Bedeutung. Dann werden Rohre zu Blashörner­n, die Röhren kleben an Körpern wie primitive Rüstungen. Papiertüte­n mit Sehschlitz­en bilden Schutzhelm­e. Es gibt viel Kampf zu sehen, aber auch emotionale Nähe. Die Zuschauer können „einem Sezierspie­l beiwohnen, wenn die Hüllen fallen und ein Tier in Menschenge­stalt das Licht der Welt erblickt.“Claus Clemens

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