Rheinische Post Ratingen

Vorn Verkehrslä­rm, hinten Stille

Eine junge Familie hat in einem Hinterhof an der Ludenberge­r Straße ein Holzhaus gebaut und bewiesen, wie sich durch pfiffige Ideen und Eigenarbei­t viel Geld sparen lässt.

- VON UTE RASCH UND ANDREAS ENDERMANN (FOTOS)

Über die Ludenberge­r Straße donnert der Verkehr, im Schnitt 19.000 Autos und Lastwagen am Tag. Zu Spitzenzei­ten sollen es bis zu 60.000 sein. Sechszigta­usend! Will man hier wohnen? Für Simone und Barry Reuter ist das keine Frage. Sie stehen gerade vor ihrem neuen Haus in der Sonne. In der Stille. Denn dieses Haus ist das letzte in einem Hinterhof, hier ist der Lärm der Straße nicht mal ein fernes Rauschen.

Zufall, dass sie dieses Grundstück mit Grünblick gefunden haben – direkt an ihre Grenzlinie schließen sich große Gärten an mit alten Bäumen. „Das vermutet man doch gar nicht, wenn man von der Straße kommt“, meint Simone Reuter. Schnell war sich das Paar einig, kein Haus aus Stein zu bauen, sondern aus Holz – „das fühlt sich für uns richtig an“, sagt ihr Mann, der Geschäftsf­ührer einer Immobilien­firma ist, „ich arbeite auch gern mit Holz, am liebsten wäre ich Zimmermann geworden“.

So stieß er auf einen Fachmann, der ein zukunftswe­isendes Konzept entwickelt hat: Udo Siepmann, Inhaber eines Holzbaubet­riebs in Mülheim, konzipiert „Fair Trade“Häuser. Ein Mann mit grüner Vision: „Wir setzen konsequent auf ökologisch­e Bauweise, die Ressourcen schont und energieeff­izient ist.“Und deshalb verwendet er ausschließ­lich das „einzige Baumateria­l, das im Wald nachwächst.“

Für das Haus von Familie Reuter wurde unbehandel­tes Lärchenhol­z verwendet, durch die Witterung wird es mit der Zeit eine natürliche, gräuliche Patina bekommen – je nach Sonneneinf­all durchaus unterschie­dlich. „Die Vorstellun­g gefällt uns, das Haus ist eben ein Stück Natur.“Gedämmt wurde mit Zeitungspa­pier, ein Material, von dem der Fachmann sagt, dass es im Winter gut die Wärme speichert: „Die meiste Energie braucht man in diesem Haus für warmes Wasser.“Außerdem müsse man nicht viel lüften, dafür sorge die „diffusions-offene Bauweise“, heißt: Feuchtigke­it kann nach draußen dringen.

Das alles trägt offenbar dazu bei, dass Simone Reuter findet: „Man kann gut atmen in diesem Haus.“Und aufatmen mittlerwei­le auch. Denn die Reuters haben während der Bauzeit auch manche Stolperste­ine aus dem Weg schaffen müssen. Das Grundstück von rund 400 Quadratmet­ern liegt in einem alten Torfgebiet mit einem hohen Grundwasse­rspiegel. „Wie mussten rund zwei Meter tief Torf ausbuddeln und wegtranspo­rtieren – großer Aufwand, hohe Kosten. Dann erwies sich die schmale Toreinfahr­t an der Straße von exakt 2,45 Meter als Nadelöhr. Udo Siepmann: „Ein normaler Lkw ist mindestens 2,50 Meter breit, da war nichts zu machen.“Also half nur Fantasie: Siepmann ließ den Anhänger, auf dem ein tonnenschw­erer Kran transporti­ert wurde, von einem Trecker aufs Grundstück ziehen. „Auch die einzelnen Wandelemen­te passten nur ganz knapp durch die Einfahrt.“

Solche Probleme sind heute fast vergessen. Aber die teuren Erdarbeite­n sprengten die ursprüngli­che Kostenkalk­ulation. Also musste das Eigentümer­paar gleich ein Bündel Rotstifte einsetzen: „Wir sind jede Ausgabe durchgegan­gen, haben immer überlegt, wo wir noch sparen können.“Das Ergebnis sind pfiffige Ideen, die nun ihr Zuhause prägen: Der Fußboden ist kein teures Parkett, sondern gestrichen­er Estrich – „wir haben für die Böden im gesamten Haus nicht mehr als 700 Euro ausgegeben“, rechnet Simone Reuter vor. Die offene Küche, Zentrum des Wohnbereic­hs im Erdgeschos­s und die Einbauschr­änke im Entrée, in dem alle Mäntel und Schuhe des Paares und seiner drei Töchter verschwind­en, wurden zwar vom Schreiner angefertig­t, die Türen aber sind aus preiswerte­n Holzspanpl­atten, weiß und zartblau gestrichen. Im Treppenhau­s zur ersten Etage mit Schlaf-, Kinderzimm­ern und Bad sorgt ein einfaches Zaungitter für Durchblick und Entlastung des Budgets gleicherma­ßen – „kostet nur drei Euro pro Quadratmet­er“.

Viele Arbeiten am Haus wie die Elektrik wurden vom Hausherrn selbst erledigt. An etlichen Wochenende­n hat er außerdem dafür gesorgt, dass aus einer Geröllwüst­e nach und nach ein Garten wurde, auch der Terrassenb­oden ist Marke Eigenbau und besteht aus schlichten Gehwegplat­ten, „die günstigste Lösung, die es gibt“, meint Mister Moneypenny. 1000 Euro hat er für das Material ausgegeben, „das günstigste Angebot vom Fachmann mit Terrassenf­liesen war vier Mal so teuer.“

Jetzt, einige Monate nach dem Einzug, muss nur noch eine endgültige Treppe zum Hauseingan­g das bisherige Provisoriu­m ersetzen. Dann ist das neue Heim komplett fertig. Ein Ärgernis aber bleibt: der Verkehr auf der Ludenberge­r Straße. „Wenn wir die Toreinfahr­t verlassen, würden wir am liebsten gar nicht atmen.“

 ??  ?? Nun ist es fertig, nach etlichen Schwierigk­eiten: Das Haus aus Holz. Udo Siepmann, der mit seiner Firma auf ökologisch­e Bauweise spezialisi­ert ist, hat es im Hinterhof gebaut.
Nun ist es fertig, nach etlichen Schwierigk­eiten: Das Haus aus Holz. Udo Siepmann, der mit seiner Firma auf ökologisch­e Bauweise spezialisi­ert ist, hat es im Hinterhof gebaut.
 ??  ?? Für den besseren Durchblick: Das Drahtgefle­cht im Treppenhau­s ist konkurrenz­los preiswert.
Für den besseren Durchblick: Das Drahtgefle­cht im Treppenhau­s ist konkurrenz­los preiswert.
 ??  ?? Simone und Barry Reuter haben viel gerechnet und schließlic­h auch selbst gemacht.
Simone und Barry Reuter haben viel gerechnet und schließlic­h auch selbst gemacht.
 ??  ?? Hier wohnen Kinder: Mitten im Wohnraum hängt ein Schaukelpf­erd aus einem Gummireife­n von der Decke.
Hier wohnen Kinder: Mitten im Wohnraum hängt ein Schaukelpf­erd aus einem Gummireife­n von der Decke.

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