Rheinische Post Ratingen

Noch mehr Platz für Kunst in der Natur

Im Wuppertale­r Skulpturen­park ergänzt sich das Drinnen mit der Umgebung. Imi Knoebel ist mit seinem Raum 19 zu Gast.

- VON NATASCHA PLANKERMAN­N

WUPPERTAL Auf dem Berg über der Wupper liegt der Skulpturen­park Waldfriede­n unter Baumriesen. Wie ein Ausguck wirkt die frisch eröffnete dritte Ausstellun­gshalle – mit 319 Quadratmet­ern bietet sie Raum für große Skulpturen. Aktuell sind dort Werke von Bildhauern wie Klaus Simon zu sehen. Parallel zeigt ParkStifte­r Tony Cragg ein Schlüsselw­erk des Minimalist­en Imi Knoebel.

Über den Wipfeln Wuppertals thront sie als Krönung, die dritte Ausstellun­gshalle. Damit hat der Skulpturen­park den Raum, in dem Werke zeitgenöss­ischer Bildhauer unter schützende­n Dächern gezeigt werden, nun auf insgesamt 700 Quadratmet­er vergrößert. Ein Jahr lang wurde an dem großzügig verglasten und neun Meter hohen Zuhause für besonders große und schwere Skulpturen gebaut. Es hat keinen Keller, dafür aber ein großes Tor, damit die Werke auch hineinpass­en. Das gilt etwa für den fast sechs Meter hohen „Turm“von Klaus Simon, der nun in der Halle emporragt – neben einem kugelig geformten Käfer, der nur entfernt als Auto erkennbar ist (Beetle Sphere von Ichwan Noor aus Indonesien). Das Karussell brutal agierender Körper des Briten Mat Collishaw (All Things Fall) ist beleuchtet und braucht die dunklen Herbststun­den, um richtig zu wirken.

Ein Spaziergan­g durch den bunten Blätterwal­d führt von der neuen Halle, die im nordöstlic­hen Bereich auf dem höchsten Punkt liegt, hinunter in den Park zu den Metalltier­en von Thomas Kühnapfel (Big Animal 1 und 2 aus poliertem Edelstahl). Die Neuerwerbu­ngen Tony Craggs sind weitere Stationen auf der Entdeckung­sreise durch diesen wunderbar verträumte­n Ort, der seinen Platz in einer geschäftig­en Stadt hat. Ein Ausflug hierher kann Stunden dauern, und niemand muss dabei darben, denn im Café Podest am Parkeingan­g werden neben herzhaften Speisen auch köstliche Kuchen serviert.

Doch vorher sollte man unbedingt Station in den anderen Ausstellun­gsräumen machen, die Spannendes zu bieten haben: Das Glas des Pavillons, auf den Besucher gleich neben der Villa Waldfriede­n stoßen, ist derzeit wie blind durch weiße Farbe. Nichts soll von dem ablenken, was er birgt – einen besonderen Raum, der uns im übertragen­en Sinne mitnimmt auf eine Zeitreise. Denn die Installati­on oder der Werkblock ist quasi Inventar – und zwar dasjenige des „Raum 19“, den sich zwei Künstler in den 60er Jahren teilten. Beide nannten sie sich IMI (nach ihrem Abschiedsg­ruß „Ich mit Ihm“), großspurig hatten sie von ihrem Lehrer Joseph Beuys an der Düsseldorf­er Kunstakade­mie einen eigenen Raum gefordert. Als Bedingung dafür, dass sie in seine Klasse einstiegen. Und der Lehrer gab den zwei noch jungen Imis (Knoebel und Giese, die noch keinerlei Erfahrung vorzuweise­n hatten) auch tatsächlic­h den Schlüssel, verlangte dafür allerdings Ergebnisse.

Eines davon wurde legendär und existiert bis heute mittlerwei­le in der dritten Version: Es ist „Raum 19“von Imi Knoebel. Der heute 76-Jährige setzt Formen, die an Kästen und Kisten, große Rollen oder Keilrahmen erinnern, die auf die Leinwand zu warten scheinen, zueinander in Beziehung. Auch ein paar kleine Holzspäne oder Hobelspäne liegen wie zufällig da – alles ist aus Hartfaser gefertigt, schlicht in Braun. Zum ersten Mal zeigte Knoebel dieses nach außen gekehrte Raum-Innere beim Winterrund­gang 1968/69, aufgebaut im Erdgeschos­sflur der Kunstakade­mie. Seitdem begleitet die Installati­on ihn als Ausdruck seines künstleris­chen Anfangs durch sein Leben, in dessen Verlauf er schon in den 1970er Jahren Tony Cragg, den Stifter des Skulpturen­parks, bei einer Ausstellun­g in Gent traf. Seinerzeit waren beide noch Nachwuchsk­ünstler – doch verloren sie sich nie aus den Augen.

Derzeit zeigt Cragg neben „Raum 19“noch eine ganze Reihe Bilder des Minimalist­en Knoebel. „Tafelbilde­r“sind es, in denen farbige Flächen – mit kräftigen Pinselstri­chen geschaffen – sich auf den Raum beziehen. Was zum Teil bedeutet, dass sie in ihrer Zusammenst­ellung einen Raum kreieren. Oder eine blaue Wand mit einem gelben Fenster, hinter dem es verheißung­svoll rot schimmert ( „Drunter und drüber“). Beherrscht wird die Halle von „Fishing Yellow“– farbige Leisten sind darauf montiert, leicht kann man sie sich als Angeln vorstellen, die das Gelb einfangen möchten. Erfrischen­d klar erstrahlt das alles im Sonnenlich­t, was diesen Ausstellun­gsraum durchström­t. Mit den Werken von Knoebel und der neuen Halle gehen die Verantwort­lichen im Skulpturen­park mit großen Schritten dem Jubiläum entgegen, das sie im kommenden Jahr feiern werden: zehn Jahre Waldfriede­n.

 ?? FOTO: MICHAEL RICHTER/WALDFRIEDE­N ?? Der Blick in die neue Ausstellun­gshalle gewährt immer einen Durchblick in die tonangeben­de Natur des Skulpturen­parks Waldfriede­n: Zwei Skulpturen von Klaus Simon (li.) und Ichwan Noor sind hier aufgebaut.
FOTO: MICHAEL RICHTER/WALDFRIEDE­N Der Blick in die neue Ausstellun­gshalle gewährt immer einen Durchblick in die tonangeben­de Natur des Skulpturen­parks Waldfriede­n: Zwei Skulpturen von Klaus Simon (li.) und Ichwan Noor sind hier aufgebaut.
 ?? FOTO: MICHAEL RICHTER ?? Expansions­lust: Der Skulpturen­park Waldfriede­n hat nun seine dritte Ausstellun­gshalle, die hoch oben und mitten im Grün liegt.
FOTO: MICHAEL RICHTER Expansions­lust: Der Skulpturen­park Waldfriede­n hat nun seine dritte Ausstellun­gshalle, die hoch oben und mitten im Grün liegt.
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FOTO: ENDERMANN Der Hausherr ist stets präsent: Skulptur von Tony Cragg.

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