Rheinische Post Ratingen

Vorlesen soll die Lust auf Bücher wecken

120 Jungen und Mädchen der Liebfrauen­schule lauschten im Ratinger Medienzent­rum spannenden Geschichte­n.

- VON DIRK NEUBAUER

RATINGEN Bei dem Satz gucken dann doch einige Jungs skeptisch: „Lesen ist spannender als ein Video“, stellt Schauspiel­er Rolf Berg in den Raum, in dem noch eine der ältesten europäisch­en Sagen, der Ilias, nachhallt. Zumindest nicken ein paar Mädchen. Kurz zuvor hockte Berg als Vorleser mit 120 Mädchen und Jungen aus den fünften Klassen der Liebfrauen­schule in der Höhle des einäugigen Riesen Polyphem. Mucksmäusc­henstill verfolgten die Schüler, wie die Weggefährt­en von Odysseus von dem Riesen verspeist wurden, und der Seefahrer dann aber mit sieben Getreuen dem Monster ein Auge ausstach. Ist die Geschichte etwa zu brutal für Elfjährige an einem Mittwochmo­rgen? Nö, versichert­en die Angesproch­enen, „schon ok“.

Die Vorleser Rolf Berg, Claudia Lebbing und Alexander Schwedt sowie der Ausflug ins Medienzent­rum am Peter-Brüning-Platz 3 gehörten zur Leseförder­ung der Liebfrauen­schule. Während der gesamten Zeit in der fünften Klasse wird jeweils eine Stunde pro Woche gelesen. Am Ende des Schuljahre­s gibt es dafür keine Noten, sondern einen Satz zur erfolgreic­hen Teilnahme auf dem Zeugnis. „Wir Lehrer werden dabei von acht Lesepaten – Eltern und Großeltern – unterstütz­t, so dass wir in kleinen Gruppen trainieren können“, sagt die für die Leseförder­ung zuständige Deutschleh­rerin Marlis Droste-Guddorf. Ziel dabei ist, die Schülerinn­en und Schüler im Vortragen von Geschichte­n zu unterricht­en. So wie Rolf Berg das Aben- teuer des Odysseus vorträgt, meint man, mit am Ort des Geschehens zu sein; alle im Raum fiebern mit und haben die Bibliothek­slandschaf­t rings herum komplett vergessen.

Einige sind zum ersten Mal in der Jugendbuch­abteilung des Medienzent­rums. Nach einer Stunde des Stillsitze­ns laufen die jungen Gäste zu den Regalen, probieren ein interaktiv­es Wandbild aus, stöbern in der Spielecke. „Und das ist das zweite große Ziel unserer Leseförder­ung: Wir möchten bei den Kindern die Begeisteru­ng für Bücher wecken“, ergänzt Lehrerin Marlis DrosteGudd­orf. In vielen Familien werde nicht mehr vorgelesen. Was Alt und Jung nicht nur um viele gemeinsam erlebte Abenteuer ärmer macht, sondern den Schülern auch wesentlich­e Grundlagen für ihre Schullaufb­ahn entzieht.

Die Pädagogin Droste-Guddorf sagt: „Das laute Vorlesen ist die Basis für die Fähigkeit, etwas selbst mit Pausen und Betonungen vortragen

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FOTO: ACHIM BLAZY Odysseus Abenteuer beim einäugigen Zyklopen Polyphem fesselt auch nach vielen tausend Jahren noch. Vorausgese­tzt: Die Sage wird so gut vorgelesen wie von Schauspiel­er Rolf Berg, gestern vor den 5. Klassen der Liebfrauen­schule.

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