Rheinische Post Ratingen

Ein Kunst-Ufo für die Wüste

In Abu Dhabi hat eine Dependance des Pariser Louvre eröffnet. Allein die Verwendung des Namens des berühmten Museums soll 450 Millionen Euro gekostet haben. Zu erleben sind Werke, die die Menschheit­sgeschicht­e aus Sicht der unterschie­dlichen Kulturen vera

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nicht sichtbaren, stählernen Tragwerk mit seinen vier äußeren Schichten aus Edelstahl liegen im Abstand dazu vier Schichten von Aluminiums­treben in Form von Drei-, Vier- oder Achtecken übereinand­er, die ein komplizier­tes Muster von 7850 unterschie­dlich großen Öffnungen ergeben. Durch sie fällt auf die Bauten und die Wege und Plätze zwischen ihnen, was Nouvel einen „Lichtregen“nennt: das gefilterte Licht der in der Golfregion an 360 Tagen des Jahres gleißenden Sonne. Nachts hingegen sollen die „Sterne“genannten Öffnungen mit künstliche­m Licht nach innen wie nach außen strahlen.

Das Dach ist der Stolz des Architekte­n: Es liegt auf nur vier Stützen, die im Abstand von jeweils 110 Metern zueinander stehen. Nouvel war der Erste, der sich um eine zeitgemäße Interpreta­tion islamische­r Baukunst bemüht hat. Mit dem „Institut der Arabischen Welt“schuf er 1987 in Paris ein aufsehener­regendes Bauwerk, das mit den beiden Elementen spielt, die für Nouvel die Essenz der islamische­n Architektu­r ausmachen: Licht und Geometrie.

Unter dem Dach sind die 55 kubischen Bauteile aus schneeweiß­em Spezialbet­on entlang von „Straßen“und „Plätzen“wie in einer Medina angeordnet, der traditione­llen Altstadt der islamische­n Welt. Nouvel interpreti­ert sie als „Treffpunkt­e“für Menschen, die das Interesse an Kunst und Kultur eint. Durch die Öffnungen zum Meer weht eine beständige Brise, die auch jetzt noch die auf bis zu 34 Grad ansteigend­e Tagestempe­ratur erträglich macht.

Der Louvre Abu Dhabi ist das erste Bauwerk des kulturelle­n Gesamtproj­ekts auf Saadiyat Island, der eigens aufgeschüt­teten „Insel des Glücks“. Sie ist das Herzstück eines auf mittlerwei­le 30 Milliarden Dollar geschätzte­n Entwicklun­gsvorhaben­s zur Erweiterun­g Abu Dhabis. Zugleich spielt der Tourismus wirtschaft­lich eine immer größere Rolle. Für die Zeit nach dem Versiegen der Rohstoffqu­ellen, auf dem der Reichtum von Abu Dhabi beruht, will sich die Hauptstadt der VAE als Kultur-Reiseziel positionie­ren. „Toleranz, Akzeptanz und kulturelle Verflechtu­ng“, nannte Mohamed Khalifa Al Mubarak am Dienstag als Ziele des Museums. Der 34-jährige Chef der Tourismusu­nd Kulturbehö­rde, die die Projekte auf der Insel Saadiyat steuert, bezeichnet­e das Museum als „eine Verbindung heutiger Modernität und unseres eigenen Erbes“.

Noch liegt der Neubau am Rande der erst in jüngster Zeit in die Höhe gewachsene­n Hauptstadt. Die Ziele, die das Emirat mit dem Louvre-Vorhaben verbindet, werden ohne deutliche Verbesseru­ngen der Infrastruk­tur und die Entwicklun­g urbanen Lebens kaum zu erreichen sein – damit die flache Kuppel Jean Nouvels nicht, wie Spötter meinen, als Ufo am künstliche­n Ufer strandet.

Vom Meer her weht eine beständige Brise durch Öffnungen in der Dachkonstr­uktion

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