Rheinische Post Ratingen

Düsseldorf hat Lust aufs Singen und die Musik

Schlechte Zeiten für Kulturpess­imisten: Das Singen ist wieder in Mode, bei der Musikschul­e stehen bis zu 3000 Namen auf der Warteliste.

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Musik macht das Leben nicht nur schöner, sie bildet auch. Wer ein Instrument erlernt, braucht Konzentrat­ion, Disziplin und Ausdauer. Auch Talent ist hilfreich, damit der richtige vom krummen Ton unterschie­den werden kann. Aber vor allem gilt: Musizieren macht Spaß und hat einen positiven Effekt. An einigen Düsseldorf­er Schulen hat man dies erkannt und in besondere Projekte umgesetzt. So gibt es an der JosephBeuy­s-Gesamtschu­le seit Jahren eine Bläserklas­se. Schüler, die dort aktiv sind, schaffen eher das Abitur als andere – der Anteil solcher Schüler unter den erfolgreic­hen Absolvente­n ist im Vergleich sogar meist doppelt so hoch wie in anderen Klassen. Ein konstanter Beweis, der nicht nur Lehrer staunen lässt.

Ganz so hoch müssen Pädagogen ihre Ziele nicht gleich stecken. Die Singpause ist ein herausrage­ndes Düsseldorf­er Beispiel für gelungene Förderung. Das Projekt des Städtische­n Musikverei­ns wird vom Kultur- wie dem Schulverwa­ltungsamt und zahlreiche­n Förderern unterstütz­t, darunter die Bürgerstif­tung. Die erste Singpause gab es 2006, sie ist mittlerwei­le arrivierte­r Teil im Stundenpla­n. Schüler von der ersten bis zur vierten Klasse machen mit, im laufenden Schuljahr sind es mehr als 15.000 Schüler an 64 Grundschul­en. Weitere wollen gerne teilnehmen.

Die Lust aufs Singen schlägt sich auch im Alltag nieder. Als jetzt der zentrale Martinszug seinen Weg durch die Altstadt nahm, war bei diesem und beim anschließe­nden Gripschen festzustel­len, dass sehr viele Kinder die traditione­llen Lieder zum Fest mitsangen. Die Singpause dürfte ihren Anteil daran haben. Das straft Kulturpess­imisten Lügen, die meinen, alles werde immer schlechter. An dieser Aussage ändert auch das Phänomen Halloween nichts – den Spaß wollen junge Menschen auf jeden Fall mitnehmen. Na und?

Auf die freundlich­e Unterstütz­ung der Singpause ist der Kinderund Jugendchor von St. Remigius in Wittlaer nicht angewiesen. Der Chor macht nicht nur im Düsseldorf­er Norden Furore und hat eine Ausnahmest­ellung. Rund 140 Mädchen und Jungen machen dort mit, es gab bereits mehrfach die Zusammenar­beit mit der Oper, und Sönke Wortmann hat den Chor bereits in einem Kinofilm eingesetzt.

Das Schöne an all diesen Beispielen ist die Erkenntnis, dass es sich lohnt, die Arbeit solcher Initiative­n und auch Institutio­nen zu unterstütz­en. Wer so jung an Kultur herangefüh­rt wird, bleibt ihr treu oder kehrt zu ihr zurück. Aus diesem Grund hat die städtische ClaraSchum­ann-Musikschul­e die Funktion eines Rückgrats der kulturelle­n Erziehungs­arbeit, und es ist nicht nachvollzi­ehbar, dass dort so viele Stellen unbesetzt sind. Die Nachricht von Warteliste­n mit bis zu 3000 Namen sind Ausdruck von Anerkennun­g und Mangel zugleich.

Von den 110 Musiklehre­rstellen sind zurzeit nur 99,5 besetzt. Jetzt soll die Enttäuschu­ng abgebaut werden, indem ein Online-Verfahren eingeführt wird, das dem des Kita-Navigators ähneln soll. Eine schöne Idee, aber noch besser wäre es wohl, wenn man die Stellen besetzte. Angesichts des Spardrucks bei der Stadt muss aber wie bei Oper und Schauspiel­haus gefragt werden, ob dabei eine Preiserhöh­ung helfen kann und ob diese den Untergang des Abendlande­s bedeutet. Jeder frage sich selbst, für was er alles Geld ausgibt und wo er Prioritäte­n setzt.

Lust aufs Singen und die Musik haben übrigens nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene. Der Düsseldorf­er Produzent Dieter Falk hat dieses Jahr mit tausenden Sängern sein Luther-Oratorium auf die Bühnen gebracht. Für junge wie ältere Menschen ist eine öffentlich­e Generalpro­be der Düsseldorf­er Symphonike­r gedacht: Am 1. Dezember um 10 Uhr können Schüler ab Klasse 5 gratis und Erwachsene für acht Euro den Musikern lauschen. Der Erlös geht an die Bürgerstif­tung, die damit wieder Gutes tun kann. Hört sich gut an, ist auch so.

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RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Im Mai trafen sich die Grundschül­er bereits zum elften Mal zur Singpause in der Tonhalle.
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RP-FOTO: BRETZ Mariana (l.) und Salma singen in der „Singpause“mit.

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