Rheinische Post Ratingen

„Gewalt kommt nicht in die Tüte“

Ratinger Bäcker beteiligen sich am kommenden Samstag, 25. November, an einer besonderen Verteilakt­ion.

- VON NORBERT KLEEBERG

RATINGEN Es geht um Gewalt – um Gewalt gegen Frauen. Zum Beispiel um diesen Fall: Eine Frau weiß plötzlich nicht mehr weiter. Sie ist von einem Mann schwanger, beide trennen gefühlt längst Welten. Und nicht nur das: Er hat sie geschlagen, sie flieht in den Schutz des Frauenhaus­es. Dabei hatte eine ehemals von den Eltern im Irak arrangiert­e Ehe gar nicht mal so schlecht begonnen, wie man es unter solchen Umständen vielleicht annehmen könnte.

„Mit der Zeit konnte ich so etwas wie Liebe fühlen“, erinnert sich Leila A. an den Beginn der Beziehung zu ihrem Mann, von dem sie nun schon seit mehr als zwei Jahren getrennt lebt. Dazwischen liegt vor allem eines: die Erinnerung an Zwänge, Streit und irgendwann eben auch an Schläge. „Mein Mann wurde immer aggressive­r. Er warf mit Möbelstück­en um sich. Ich hatte in all dem Stress eine Fehlgeburt und war irgendwann nur noch ein Geist“, spricht Laila A. über ihr Martyrium. Kein Einzelfall. Das Frauenhaus im Kreis Mettmann ist mit Frauen und deren Kindern fast durchgängi­g belegt, und viele Anfragen mussten an andere Frauenhäus­er weiterverm­ittelt werden.

Vor 27 Jahren haben die Vereinten Nationen beschlosse­n, dieses Vorgehen gegen Frauen und Mädchen als eine der häufigsten Menschenre­chtsverlet­zungen zu ächten – und seit 1991 wird der 25. November als Internatio­naler Gedenktag gegen Gewalt an Frauen begangen. 2002 trat das Gewaltschu­tzgesetz in Kraft mit dem Ziel, die Situation von Frauen zu verbessern, die in der Partnersch­aft Gewalt erleben. Dieses Gesetz ermöglicht der Polizei, unmittelba­r die Opfer zu schützen und die Täter der Wohnung zu verweisen. Weiterhin kann das Gericht anordnen, dass die Täter sich dem Opfer nicht mehr nähern dürfen.

Dennoch haben Frauen und Mädchen weltweit das größte Risi- ko, durch einen Mann, den sie kennen, Opfer von Gewalt zu werden. Dabei spielt die Nationalit­ät, die Herkunft oder der Bildungsst­and keine Rolle. Die Opfer von häuslicher Gewalt haben Anspruch auf Hilfe und Unterstütz­ung durch Schutz- und Hilfeeinri­chtungen.

Auch die Gleichstel­lungsstell­e der Stadt Ratingen berät betroffene Frauen und stellt Kontakt her zu entspreche­nden Fachberatu­ngen (SkF Ratingen, Interventi­onsstelle gegen häusliche Gewalt oder Frauen- und Kinderschu­tzhaus des SKFM Mettmann). Um über Hilfsangeb­ote gegen häusliche Gewalt zu informiere­n und das Thema ins öffentlich­e Bewusstsei­n zu bringen, startet die Gleichstel­lungsstell­e einige Aktionen in Ratingen. So werden vom 22. bis 30. November an verschiede­nen öffentlich­en Gebäuden Fahnen von „Terre des femmes“mit dem Aufdruck „frei leben ohne Gewalt“hängen.

Eine weitere gemeinsame Aktion findet mit den in Ratingen ansässigen Bäckereien statt. Am Samstag, 25. November, kommen die Brötchen nicht in die gewohnten, mit dem Aufdruck des Geschäftes versehen Papiertüte­n; statt dessen werden in Ratingen 10000 Brötchentü­ten mit der pinkfarben­en Aufschrift „Gewalt kommt nicht in die Tüte“an die Kunden verteilt. Diese Aussage ist außer in Deutsch auch in sieben weiteren Sprachen zu lesen.

Auf der Rückseite der Tüten befinden sich Adressen und Notrufnumm­ern der Stellen, bei denen von häuslicher Gewalt betroffene­n Mädchen und Frauen Hilfe erhalten.

Unterstütz­t wird diese Aktion in Ratingen von den Bäckereien Bös, Frik, Droste, Schüren, Möllmann, Vogel, Steingen, Benninghov­en, Brotkorb, Back Bakery und der Ratinger Tafel.

Ein enges Netzwerk der Hilfen bei Gewalt gegen Frauen besteht zwischen der SKFM-Interventi­onsstelle gegen häusliche Gewalt und dem SKFM-Frauen und Kinderschu­tzhaus, der Kreispoliz­eibehörde und der Gleichstel­lungsstell­e.

Die Anzahl der Meldungen, die beim SKFM Mettmann im vergangen Jahr aufgrund häuslicher Gewalt eingegange­n sind, sind weiterhin auf hohem Niveau.

Dieser Trend setzt sich auch in diesem Jahr fort. Bis Ende Oktober des Jahres 2017 sind bereits 556 Einzelfäll­e im Kreis Mettmann registrier­t worden. Auf Ratingen entfielen 88 Fälle.

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RP-FOTO: ACHIM BLAZY Bäckermeis­ter Bernhard Vogel packt seine Brötchen am kommenden Samstag in ganz besondere Tüten: Unter anderem stehen Adressen und Notrufnumm­ern für Frauen in Not drauf. Etliche andere Kollegen machen mit.

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