Rheinische Post Ratingen

SPD will Basis zu „Groko“befragen

Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier hat Bewegung in die verfahrene Lage bei der Regierungs­bildung gebracht. Die Sozialdemo­kraten sind nun zu weiteren Gesprächen bereit.

- VON JAN DREBES UND EVA QUADBECK

BERLIN SPD-Parteichef Martin Schulz ist nach seinem Gespräch mit Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier und einer nächtliche­n Sitzung seiner Parteiführ­ung von dem kategorisc­hen Nein zu einer Neuauflage der großen Koalition abgerückt. „Die SPD ist sich ihrer Verantwort­ung für Deutschlan­d, aber in besonderer Weise auch ihrer Verantwort­ung für Europa sehr wohl bewusst“, sagte Schulz gestern Mittag in Berlin.

Dem Vernehmen nach hatten verschiede­ne europäisch­e Staats- und Regierungs­chefs vom griechisch­en Ministerpr­äsidenten Alexis Tsipras bis zu Frankreich­s Präsident Emanuel Macron bei Schulz angerufen und ihm dazu geraten, eine Koalition mit der Union einzugehen.

Bundespräs­ident Steinmeier, dessen Gespräch mit Schulz Bewegung bei der SPD ausgelöst hatte, wird in der kommenden Woche erneut Spitzenpol­itiker verschiede­ner Parteien treffen, unter anderem auch der AfD. Im Zentrum steht eine Zusammenku­nft am Donnerstag­abend mit den Parteispit­zen der ge- schäftsfüh­renden Regierung: mit Kanzlerin Angela Merkel, SPD-Chef Martin Schulz und CSU-Chef Horst Seehofer.

Der SPD-Chef formuliert­e die Bereitscha­ft seiner Partei zur Regierungs­bildung sehr vorsichtig. Die Parteispit­ze sei sich in den langen Gesprächen bis in die späte Donnerstag­nacht einig gewesen, dass er als Parteivors­itzender der Einladung des Bundespräs­identen zu Treffen auch mit anderen Parteichef­s folgen werde. Das ist eine Kehrtwende: Noch am Montag hatte die Parteiführ­ung einstimmig beschlosse­n, nicht für eine große Koalition zur Verfügung zu stehen. Schulz verwies darauf, dass es „keinen Automatism­us“gebe. Die SPDMitglie­der sollen das letzte Wort bekommen. „Sollten die Gespräche dazu führen, dass wir uns, in welcher Form und in welcher Konstellat­ion auch immer, an einer Regierungs­bildung beteiligen, werden die Mitglieder unserer Partei darüber abstimmen“, betonte Schulz.

Tatsächlic­h wurden in der Parteispit­ze dem Vernehmen nach am späten Donnerstag­abend sämtliche Optionen durchgespr­ochen, von der Tolerierun­g einer unionsgefü­hrten Minderheit­sregierung über eine gemeinsame Koalition von Union, SPD und Grünen bis hin zur großen Koalition. Eine schwarz-rote Koalition soll als wahrschein­lichste Lösung angesehen worden sein, beliebt ist jedoch keine der möglichen Konstellat­ionen.

Nun zeichnet sich ab, dass die SPD sich mehrere Monate Zeit nehmen wird für die Gespräche mit den anderen Parteien. Von einer schnellen Einigung ist nicht auszugehen. Es könnte bis Ostern dauern, bevor es eine neue Regierung gibt.

Wichtige SPD-Gliederung­en tun sich schwer mit der neuen Lage der Partei. Der NRW-Landesverb­and sieht eine denkbare Neuauflage der großen Koalition im Bund zwar weiterhin skeptisch – rückte aber von seinem kategorisc­hen Nein ab. Es sei richtig, dass Parteichef Schulz beim Bundespräs­identen mit CDU und CSU Gespräche führen will, sagte SPD-Landeschef Michael Groschek. Niedersach­sens Regierungs­chef Stephan Weil erklärte, wenn Jamaika nach acht Wochen krachend gescheiter­t sei, dürfe man nicht von der SPD erwarten, dass sie binnen 48 Stunden als „Reserveban­k von Angela Merkel“für eine Koalition zur Verfügung stehe.

Gleichzeit­ig war die Parteiführ­ung gestern bemüht, Gerüchte über einen Rücktritt von Parteichef Schulz oder gar einen bevorstehe­nden Putsch beim Parteitag übernächst­e Woche abzuwenden. Diese Gerüchte seien falsch, hieß es. Leitartike­l Seite A2 Politik Seite A4

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