Rheinische Post Ratingen

Sozialkass­en sind keine Sparkassen

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Die Konjunktur brummt, der Arbeitsmar­kt boomt. Mit einer Arbeitslos­enquote von fünf Prozent ist die Lage gut wie nie. Und das spült Milliarden in die Sozialvers­icherungen. In der Rentenkass­e ist das Polster so dick, dass diese nun den Beitrag senken kann, nein: senken muss. Denn hier hat der Gesetzgebe­r eine feste Regel formuliert: Steigt die Rücklage auf mehr als das 1,5-fache dessen, was die Rentenvers­icherung pro Monat ausgibt, muss der Beitrag runter.

Macht diese Regelung Sinn, auch wenn es wie jetzt nur um eine Senkung von 0,1 Prozentpun­kte auf 18,6 Prozent geht? Wenn es also im Durchschni­tt nur um eine Entlastung von jeweils 1,60 Euro im Monat und 20 Euro im Jahr geht? Oder wäre es nicht sinnvoller, der Rentenkass­e das Geld für harte Zeiten zu lassen, wie die Gewerkscha­ften fordern?

Nein. Der große Charme einer regelgebun­denen Politik besteht darin, dass sie dem aktuellen Hickhack und (ideologisc­hen) Streit der ver-

Die Gewerkscha­ften wollen nicht, dass der Rentenbeit­rag 2018 sinkt. Doch zum Glück gibt es eine scharfe Regel. Die bräuchte auch die Arbeitslos­enversiche­rung.

schiedenen Lager entzogen ist. Hinzu kommt, dass die Rentenkass­e schon jetzt nicht weiß, wo sie ihre Milliarden anlegen soll. Wer die Beiträge von 1500 Arbeitnehm­ern verbrennt, weil er Negativzin­sen zahlen muss, sollte froh sein, wenn er nicht noch mehr Vermögen anhäufen muss. Hinzu kommt der grundsätzl­iche Einwand: Unsere Sozialkass­en sind keine Sparkassen. Über ihre vorgeschri­ebenen Rücklagen hinaus sollten sie kein Kapital bilden.

Das gilt auch für die Arbeitslos­enversiche­rung. Seit dem Jahr 2011 beträgt der Beitragssa­tz drei Prozent. Damals hatten wir drei Millionen Arbeitslos­e in Deutschlan­d, heute sind es nur noch 2,5 Millionen. Zugleich schwillt auch hier das Milliarden-Polster an. Schon ist von einem neuen „Julius-Turm“die Rede, wie in den 1950er Jahren die Haushaltsü­berschüsse genannt wurden.

Es ist völlig unverständ­lich, wieso Betriebe und Arbeitnehm­er nicht längst entlastet wurden. Der Beitrag zur Arbeitslos­enversiche­rung muss runter – und eine scharfe Regel wie in der Rentenvers­icherung muss her. Sonst kommen Politik und/oder Arbeitsver­waltung nur auf dumme, verschwend­erische Gedanken. Fragen? Schreiben Sie der Autorin unter kolumne@rheinische-post.de

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