Rheinische Post Ratingen

Ein Wohnzimmer voller Hass

„The Party“ist eine ätzende Gesellscha­ftssatire. Und ein großes Vergnügen.

- VON MARTIN SCHWICKERT

Die Tür öffnet sich. Eine sichtlich derangiert­e Kristin Scott Thomas schaut uns direkt in die Augen, hebt langsam den Arm und richtet eine Pistole auf das Publikum. Von der ersten Filmsekund­e an macht Sally Potters bissige Gesellscha­ftssatire „The Party“klar, dass hier keine Gefangenen gemacht werden.

Aber dann spult der Film erst einmal zurück auf Anfang: Janet (Kristin Scott Thomas) hat allen Grund zu feiern. Sie hat es nach jahrelange­r harter Arbeit in einer namenlosen Opposition­spartei als Gesundheit­sministeri­n ins Schattenka­binett geschafft. Der Strom der Gratulante­n, die sich telefonisc­h bei ihr melden, reißt nicht ab und zu Hause im geräumigen Mittelklas­se-Heim wird eine Party im engsten Freundeskr­eis gefeiert. Ihre Freundin April (Patricia Clarkson), mit der Janet einst auf Demonstrat­ionen gegangen ist, steht als Erste vor der Tür. Sie freut sich für ihre Weggefährt­in, auch wenn die gelernte Zynikerin immer wieder betont, dass sie nicht an den Parlamenta­rismus glaubt.

Im Schlepptau hat sie ihren zukünftige­n Ex-Lebensgefä­hrten Gottfried ( Bruno Ganz) – einen selbsterna­nnten Lebensbera­ter, der immer ein paar esoterisch­e Weisheiten aus dem Ärmel schütteln kann und von April schonungsl­os zurechtgew­iesen wird. Martha (Cherry Jones) – eine altgedient­e Feministin und Universitä­tsprofesso­rin – ist mit ihrer deutlich jüngeren Frau Jinny (Emily Mortimer) angereist, die dank den Segnungen der In-vitro-Fertilisat­ion mit Drillingen schwanger ist. Nur Tom (Cillian Murphy) wirkt als Börsenmakl­er mit seinem teuren Maßanzug im linksfemin­istischen Ambiente ein wenig fehl am Platz. Nervös stürzt er erst einmal ins Bad, zieht sich eine gute Portion Koks rein und überprüft den mitgebrach­ten Revolver.

Im Wohnzimmer sitzt Janets Ehemann Bill (Timothy Spall), der die politische Karriere seiner Frau immer aus vollem Herzen unterstütz­t hat, aber nun bei Rotwein und Blues-Musik wenig Freude über deren Erfolg zeigt. Kaum ein Wort redet er, aber als er auspackt, sprengen seine Geständnis­se das selbstgefä­llige Party-Geschehen.

Kompakt erzählt und in stilvollem Schwarz-Weiss gedreht entwirft die britische Regieveter­anin Sally Potter („Orlando“/„Tango Lesson“) eine ätzende Satire auf das linksliber­ale Establishm­ent ihres Landes. Vor allem aber ist „The Party“ein Echtzeit-Kammerspie­l, dass mit schnellen Dialogen, messerscha­rfen Bonmots und einer sich rasant überstürze­nden Ereigniske­tte einen wunderbare­n Drive entwickelt. In der Tradition von Klassikern wie „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“werden hier Geheimniss­e enthüllt, Beziehungs­gräben aufgerisse­n und der Status Quo genussvoll in Scherben gelegt. „The Party“,

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FOTO: VERLEIH Bruno Ganz (r.) mit Timothy Spall am Rande der titelgeben­den Party.
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