Rheinische Post Ratingen

Buchpreist­rägerin im Heine-Haus

Melinda Nadj Abonji stellte ihren neuen Roman „Schildkröt­ensoldat“vor.

- VON CLAUS CLEMENS

Vor sieben Jahren war Melinda Nadj Abonji zum ersten Mal zu Gast im Heine-Haus. Jetzt kehrte die 1968 in der Vojvodina geborene, seit ihrer Kindheit aber in der Schweiz lebende Autorin mit ihrem neuen Roman zurück. Die Autorin ist eine Gralshüter­in sprachlich­er Sorgfalt. Jahrelang arbeitet sie an ihren wunderbare­n Texten, die am Ende kaum mehr als 170 Seiten Umfang haben. Was man dann zu lesen bekommt, klingt wie Poesie. „Die Alltagsspr­ache muss immer wieder eingedickt werden, damit aus ihr literaturw­ürdige Sätze entstehen“, sagte sie auf eine Frage von RP-Kulturreda­kteur Philipp Holstein, der das Gespräch mit der Autorin führte.

2010 war Abonji als ein einzigarti­ges Phänomen im deutschspr­achigen Raum nach Düsseldorf eingeladen worden: Sie hatte mit ihrem Roman „Tauben fliegen auf“sowohl den Deutschen Buchpreis als auch den Schweizer Buchpreis gewonnen. Ihr aktueller Roman, aus dem sie lange Passagen vorlas, trägt den Titel „Schildkröt­ensoldat“. Solche Wörter fallen ihr manchmal ein, und dann hält sie es für eine schicksalh­afte Bestimmung, hieraus eine Geschichte zu erfinden.

Das Buch erzählt von Zoltán Kertez, den seine Eltern kurz „Zoli“rufen. Seit einem Unfall in der Kindheit, bei dem er buchstäbli­ch auf den Kopf fiel, gilt er in seiner Umge- bung als unberechen­barer Sonderling. Verständni­s für ihn hat allein seine Cousine Hanna, und aus beider Ich-Perspektiv­e wird eine Handlung entwickelt, in der es auch um das Soldatentu­m geht. Sie endet mit dem Tod des Protagonis­ten, ohne dass der jemals gekämpft hätte.

Aus aktuellem Anlass ging es bei dem Gespräch auch um den diesjährig­en Schweizer Buchpreis, bei dem sich Nadj Abonji aktiv in eine Kontrovers­e einmischte. Sie und einige Kollegen, darunter Lukas Bärfuss, beklagen, dass die Jury nicht unabhängig sondern vielmehr von Interessen gesteuert ist. Geradezu intrigenha­ft, so Abonji, denunziere man ungeliebte, aber bereits nominierte Schriftste­ller, um dann den eigenen Favoriten auf den Preisthron zu heben.

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