Rheinische Post Ratingen

Wenn Serien ohne Titelheld dastehen

Ein Drehbuchau­tor erklärt, wie man mit dem Verschwind­en eines Protagonis­ten umgeht.

- VON THOMAS BREMSER

BERLIN (dpa) Fans der US-Serien „House of Cards“und „Transparen­t“müssen sich bald umstellen: Die neuen Staffeln verzichten auf ihre bisherigen Hauptdarst­eller. Wegen der Vorwürfe zu sexueller Belästigun­g werden Kevin Spacey und Jeffrey Tambor kurzfristi­g aus den Drehbücher­n geschriebe­n. Beide waren bislang die Gesichter der Seriendram­en.

Das eine über einen skrupellos­en US-Präsidente­n (Spacey), das andere über das Leben einer transsexue­llen Rentnerin (Tambor). Beide hochgelobt und preisgekrö­nt. Aber wie geht es ohne die beiden Zugpferde weiter? Wie reagieren Autoren, wenn sie ganz plötzlich ihre wichtigste­n Darsteller verlieren?

„Das wird vermutlich sehr emotionslo­s geschehen“, so Drehbuchau­tor Michael Gantenberg („Tatort“, „Unter Verdacht“, „Ritas Welt“). Er vergleicht die Arbeit der Autoren ganz pragmatisc­h mit einem Restaurant: „Wenn ein großes Weihnachts­essen bestellt und vor allem schon bezahlt wurde und sehr plötzlich die Gans das Menü – aus welchen Gründen auch immer – verlassen muss, wird nach einer Ente gesucht.“Sprich: Die Figur wird schlicht und einfach ersetzt. Als ob sie in den vorherigen Staffeln kaum eine Rolle gespielt hätte.

So erging es 2011 etwa Charlie Sheen. Nach endlosen Eskapaden setzten ihn die Macher der Erfolgs- serie „Two and a Half Men“kurzerhand vor die Tür. Sheen spielte bis dahin den Frauenheld Charlie Harper und war das Aushängesc­hild der Sitcom. Sein Abgang war sang- und klanglos und kein dramaturgi­sches Meisterwer­k: Zu Beginn der neun- ten Staffel erklärte seine Familie schlicht, Harper sei in Paris ums Leben gekommen. Die neue Hauptrolle übernahm Ashton Kutcher.

Für eine ähnliche Strategie dürften sich auch die „House of Cards“Macher entscheide­n, glaubt Gan- tenberg. „Das Übliche. In der ersten Szene der neuen Staffel versammelt man sich vor dem Grab des ,Gegangenen’ und versucht so, meistens sehr unbeholfen, zu erklären, warum es plötzlich zu einem Serientod kommen muss.“

 ?? FOTO: SKY/DPA ?? Schauspiel­er Kevin Spacey als US-Präsident Frank Underwood in der TV-Serie „House of Cards“. Im Zuge des Skandals um sexuelle Belästigun­gen in Hollywood wird Kevin Spacey kurzfristi­g aus den Drehbücher­n geschriebe­n.
FOTO: SKY/DPA Schauspiel­er Kevin Spacey als US-Präsident Frank Underwood in der TV-Serie „House of Cards“. Im Zuge des Skandals um sexuelle Belästigun­gen in Hollywood wird Kevin Spacey kurzfristi­g aus den Drehbücher­n geschriebe­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany