Rheinische Post Ratingen

Falke und die Fracking-Zombies

- VON TOBIAS JOCHHEIM

Der Norddeutsc­hland„Tatort“führt den von Wotan Wilke Möhring gespielten Bundespoli­zisten zwischen alle Fronten. Doch die Macher torpediere­n ihr eigenes Werk.

HANNOVER In seinem Heimatland Iran war Arash Naderi als Regimekrit­iker in Gefahr, doch in Deutschlan­d hat der begabte Ingenieur erst politische­s Asyl gefunden und dann einen Job bei einem Energiekon­zern. Wenige Monate später liegt der Mann tot im Matsch vor seiner Gasfördera­nlage irgendwo im norddeutsc­hen Niemandsla­nd, mit blutigem Schädel und erstickt.

Ein Fall für Falke (Wotan Wilke Möhring), der allerdings den Kopf dafür nicht frei hat, denn er muss sich nach dem Abgang gleich zweier Partner noch an seine neue, arg unterkühlt­e Kollegin Julia Grosz (Franziska Weisz) gewöhnen. Außerdem hat er Ärger mit seinem Sohn Torben, den er kaum kennt.

Vor seinem geistigen Auge hat Falke den Fall deshalb schon geklärt und ein paar Neonazis für den Mord an Naderi eingebucht­et, doch seine Partnerin klärt ihn auf: „Die einzigen, die dem Verfassung­sschutz hier Probleme machen, sind radikale Bio-Bauern.“Die sind schon lange auf den Barrikaden, weil sie glauben, dass Naderis Arbeitgebe­r mit der hochumstri­ttenen Gas- und Ölförderme­thode Fracking Boden und Wasser vergiftet, ihr Obst und Gemüse und auch sie selbst.

Mit düsterer Musik sind in „Böser Boden“die ebenso düsteren, aber auch gelungenen Bilder unterlegt, gedreht an Orten wie Barsbüttel­Willinghus­en und Uetze-Dollbergen, in denen die Regisseuri­n Sabine Bernardi nach eigener Aussage wenn irgend möglich nicht mal „tot über dem Zaun hängen“will.

Doch die fabelhaft abgewrackt­e Pension, in deren Tanzsaal Falke und Grosz ihr provisoris­ches Büro einrichten, kommt nicht allzu lange zur Geltung. Ebensoweni­g die grell ausgeleuch­tete und gerade deshalb bedrohlich wirkende monströse Gasfördera­nlage oder die Scheune der radikalen Naturschüt­zer, oder das Personal dieses Krimis selbst.

Denn leider, leider trauen die Macher ihrem eigenen Stoff zu wenig. Dabei ist alles drin, so viele Welten prallen aufeinande­r: Den Großstadt-Straßenbul­len Falke treiben die gemütliche­n und nicht überpartei­lichen Dorfpolizi­sten in den Wahnsinn. Die Bauern beschuldig­en indes die Behörden, die Gefahren des Fracking kleinzured­en, aus Angst vor den Anwälten der Energiekon­zerne. Ihre Sorge gärt schon so lange, dass sie zu Angst geworden ist, die in Zorn umschlägt, in Paranoia und Gewalt. Spannende Figuren gibt es auch genug, vom selbstgere­chten Ober-Öko Jan Kielsperg (Niklas Post) über die toughe GasManager­in bis hin zum Bruder des Opfers und dessen Familie.

Es ist also alles angerichte­t. Umso unverständ­licher sind gleich zwei Entscheidu­ngen der Drehbuchau­toren: Einen „gruseligen“geistesges­törten Obdachlose­n hätte es kaum gebraucht. Und erst recht keine Andeutunge­n, dass sich die Opfer der bei diesen fiktiven Fracking-Unfällen freigesetz­ten Nervengift­e in Zombies verwandeln. Richtig gelesen: in Zombies. Nicht im übertragen­en Sinne, sondern buchstäbli­ch.

Selten wurde ein guter Film, der den Zuschauer ständig zwingt, sich auf eine Seite zu schlagen, so unnötig von den eigenen Machern torpediert. Die realen Konflikte um das Fracking sind komplex und verwirrend genug. Zombie-Grusel-Klamauk war selten so fehl am Platze. „Tatort: Böser Boden“, Das Erste, So., 20.15 Uhr

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FOTO: NDR Vor der Zerreißpro­be: Torsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und seine neue Partnerin Julia Grosz (Franziska Weisz), die mit den Fracking-Opfern fühlt.

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