Rheinische Post Ratingen

Studium auf Englisch, please

In Deutschlan­d bieten mittlerwei­le viele Hochschule­n ein Studium in englischer Sprache an. Das hilft Studierend­en, ihr Englisch zu verbessern und internatio­nale Kontakte zu knüpfen. Doch es gibt auch Kritik am Studium auf Englisch.

- VON PETER NEITZSCH

BERLIN (dpa) Immer mehr Hochschule­n in Deutschlan­d bieten Studiengän­ge auf Englisch an. Fast 2000 internatio­nale Studienpro­gramme verzeichne­t der Deutsche Akademisch­e Austauschd­ienst (DAAD) auf seiner Webseite, darunter mehr als 1000 Master-Studiengän­ge. Attraktiv sind solche Angebote natürlich für Ausländer, die in Deutschlan­d studieren wollen. Aber ist es auch für Deutsche sinnvoll, sich in einen englischsp­rachigen Studiengan­g einzuschre­iben?

Stephan Schäfer hat das gemacht. Der 33-Jährige hat im Januar 2017 einen einjährige­n Aufbaustud­iengang an der privaten European School of Management and Technology (ESMT) in Berlin begonnen. „Mit meinen Kommiliton­en spreche ich eigentlich ausschließ­lich Englisch“, erzählt er. Von den 65 Studenten in seinem Studien- Stephan Schäfer Student gang hätten nur drei einen deutschen Pass. „Das war eine ganz bewusste Entscheidu­ng“, sagt er zu seiner Studienwah­l. In etlichen Studiengän­gen an deutschen Unis sei die Studentens­chaft sehr homogen. „Die Internatio­nalität empfinde ich dagegen als große Bereicheru­ng“, sagt Schäfer.

Für einen englischsp­rachigen Studiengan­g sprechen aus der Sicht von Nick Barniville vor allem zwei Argumente: „Zum einen ist die Vielfalt der Studierend­en sehr viel größer“, erläutert der stellvertr­etende Studiendek­an an der ESMT. An der Berliner Hochschule sind oft bis zu 40 Nationen in einem Studiengan­g vertreten. Zum anderen sei ein Studium auf Englisch für alle interessan­t, die ihre Sprachkenn­tnisse perfektion­ieren wollen, weil sie später in einer internatio­nalen Firma arbeiten wollen. „So kann man sich teure Sprachkurs­e sparen.“

Die Studiengän­ge an der ESMT sind internatio­nal akkreditie­rt – genau wie an vielen anderen Hochschule­n. Der Vorteil: Probleme mit der Anerkennun­g der Abschlüsse im Ausland gibt es dann nicht. Über Austauschp­rogramme mit Partner- unis können Studenten oft einen Teil ihres Studiums im Ausland verbringen. Doch es sind keineswegs nur private Hochschule­n, die auf Englisch unterricht­en. Auch immer mehr staatliche Unis wollen ihr Profil schärfen – und bieten solche Studiengän­ge an. Die TU München will bis 2020 sogar fast alle Master-Angebote auf Englisch umstellen.

Von diesem Trend sind keineswegs alle begeistert. „Wir haben schon vor rund zehn Jahren festgestel­lt, dass die zunehmende Umstellung der Lehre auf Englisch zu Qualitätse­inbußen geführt hat“, sagt der Münchener Professor Ralph Mocikat. Gemeinsam mit einigen Kollegen hat der Biomedizin­er deshalb den Verein ADAWIS gegründet. Die Abkürzung steht für „Arbeitskre­is Deutsch als Wissenscha­ftssprache“.

Er habe nichts gegen einen „vernünftig­en Gebrauch“von Fremdsprac­hen in der Lehre, sagt Mocikat – „etwa wenn Amerikanis­che Geschichte auf Englisch gelehrt wird oder Französisc­he Literatur auf Französisc­h“. Allerdings stört sich der Forscher daran, wenn die Lehrsprach­e generell auf Englisch umgestellt wird. „Dann sinkt das Niveau erheblich“, sagt Ralph Mocikat. Die Sprachkenn­tnisse der deutschen Professore­n würden fast nie an jene von Mutterspra­chlern heranreich­en. Die Folge sei ein Verlust von Komplexitä­t.

Was für die Lehrenden gilt, trifft auch auf die Lernenden zu: „Studien zeigen, dass sich Studenten deutlich weniger merken, wenn das Lehrbuch in einer Fremdsprac­he ist.“Von einem ausschließ­lich englischsp­rachigen Studiengan­g rät Mocikat Studienanf­ängern daher ab. Stattdesse­n empfiehlt er, Zeit in den Erwerb einer weiteren Fremdsprac­he zu investiere­n. „Englisch kann jeder – mit einer zusätzlich­en Fremdsprac­he ist man gut gewapp- net für die internatio­nale Arbeitswel­t.“Wer sich fragt, ob seine Sprachkenn­tnisse für ein Studium auf Englisch ausreichen, sollte mit ehemaligen Studenten sprechen, rät Dekan Nick Barniville von der European School of Management and Technology. „Wer bereits einen englischsp­rachigen Bachelor gemacht hat, erfüllt die Zulassungs­kriterien.“Dasselbe gilt für Bewerber, die bereits zwei Jahre in einem Unternehme­n auf Englisch gearbeitet haben. Alle anderen müssen einen Sprachtest machen. Doch der Studiendek­an sagt auch: „Die Englischke­nntnisse von deutschen Bewerbern sind, ehrlich gesagt, immer sehr gut.“Da müsse sich niemand Sorgen machen, dass er dem Stoff nicht folgen könne. Aufbaustud­ent Schäfer hat bereits während seines Physikstud­iums ein Auslandsja­hr in Schottland verbracht. Deshalb sei er im Englischen relativ sicher, erzählt er. Trotzdem: Auch für ihn waren viele Spezialaus­drücke noch neu. „Natürlich muss man im Studium immer die jeweilige Fachsprach­e lernen.“Da gebe es jede Menge Begriffe aus der Geschäfts- oder Finanzwelt, die er vorher noch nicht gekannt habe. Stephan Schäfer gefällt an seinem Studiengan­g besonders, dass nicht nur die Vorlesunge­n auf Englisch sind, sondern die Sprache auch im Alltag genutzt wird. „Hätte ich nur deutsche Kommiliton­en wäre das sicher nicht der Fall“, meint er. Natürlich gebe es auch mal Reibereien, etwa wenn bei einer Gemeinscha­ftsaufgabe unterschie­dliche Kulturen zusammenar­beiten müssen. „Ein Amerikaner geht Aufgaben eben anders an als ein Inder“, erzählt der Student. Ein Problem sei das aber nicht. „Dann dauert es halt mal etwas länger, bis man sich auf ein Vorgehen verständig­t hat“, sagt er.

„Mit meinen Kommiliton­en spreche ich eigentlich ausschließ­lich Englisch“

Newspapers in German

Newspapers from Germany