Rheinische Post Ratingen

Wohnen im Modul

In Frankfurt wird in einem Fertigbau studentisc­hes Wohnen auf kleinstem Raum erprobt.

- VON THOMAS MAIER

FRANKFURT/MAIN (dpa) Wenn Helena Lor nach einem anstrengen­den Tag in der Bibliothek nach Hause kommt, muss sie meist noch die Geschirrsp­ülmaschine ausräumen. „Sonst macht es keiner“, sagt die 20 Jahre alte Jurastuden­tin ratlos, aber dennoch milde lächelnd. Jeder kennt solche Probleme, ob er nun mit einem oder mehreren Menschen die Wohnung teilt. Helena Lor wurden aber ihre zehn Mitbewohne­r vom Studentenw­erk zugewiesen. Im Frankfurte­r „Cubity“probiert sie in einem 16 auf 16 Meter großen Kasten studentisc­hes Wohnen ganz neu aus – ökologisch und sozial.

Das 256 Quadratmet­er große gläserne Heim, im vergangene­n Jahr nach dem „Haus im Haus“-Prinzip aus Fertigbau-Modulen errichtet, hat zwölf Boxen: In den Würfeln (Cubes) hat jeder Bewohner exakt 7,2 Quadratmet­er zur Verfügung. Eingepasst ist ein Bett (90 auf 200 Zentimeter) – mit kleinen Schubfäche­rn und einer Schrankabl­age. Neben Mini-Bad mit Dusche und WC gehören noch ein Schreibtis­ch und Stuhl zu den Einbaumöbe­ln. Die Miete kostet 250 Euro pro Monat.

Die auf zwei Geschosse verteilten Kuben sind zugleich um einen „Marktplatz“gruppiert. Dort wird an einem großen Tisch gegessen. Es gibt auch noch eine geräumige Küche. Auf der loftartige­n Galerie befindet sich ein weiterer Gemeinscha­ftsraum. Das Projekt will beweisen, dass heute platzspare­nd und innovativ gebaut werden kann.

Leben und Schlafen im Cube ist allerdings gewöhnungs­bedürftig: „Auf sieben Quadratmet­ern stößt man schnell an seine Grenzen“, stellt Kai Julian Kemmler (21) fest, ebenfalls Jurastuden­t. Kein Wunder also, dass alle außerhalb ihrer Kuben ein halb-privates Territoriu­m geschaffen haben. Überall stehen Garderoben­ständer oder Schuhe herum.

Entwickelt wurde Cubity an der Technische­n Universitä­t (TU) Darmstadt. Bei der energetisc­hen Versorgung haben sich die Darmstädte­r Architektu­rstudenten einiges einfallen lassen. Mit Hilfe von Solarenerg­ie über die lichtdurch­lässige Fassade und einer Photovolta­ikanlage auf dem Dach soll mehr Energie produziert werden als die Bewohner verbrauche­n. Damit gilt Cubity als weltweit erstes Studentenh­eim im „Plusenergi­eStandard“.

Soweit die Theorie: In der Praxis heizen sich die Kuben aber vor allem im Sommer stark auf, wie Kemmler bemängelt. Neben einer Ventilatio­n gibt es Schläuche in Decken und Böden, durch die je nach Jahreszeit kaltes oder warmes Wasser gepumpt wird. Das kann aber manchmal dauern, wie Elisa Stamm einräumt, die das Projekt wissenscha­ftlich betreut.

Derzeit wird mit viel High-TechAppara­turen die Energiequa­lität des Baus erforscht. Das soziale Zusammenle­ben der Bewohner – derzeit sind es sieben Frauen und vier Männer – analysiert ein Wissenscha­ftler. „Wir sind ein Spiegel der Gesellscha­ft“, witzelt Kemmler über die zusammenge­würfelten Bewohner. Es existieren kleinere Freundeskr­eise, ein Gemeinscha­ftsleben in der großen Gruppe gibt es aber selten. Daher hat man sich Regeln gesetzt. So darf nach elf Uhr abends nicht mehr gekocht und auch die lärmende Waschmasch­ine nicht mehr angeworfen werden. Die einzelnen Wohnkuben sind sehr hellhörig.

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FOTO: DPA Die Wohn-Kuben sind um einen Gemeinscha­ftsbereich gruppiert.

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