Rheinische Post Ratingen

EU will Döner ohne Phosphat

Der Gesundheit­sausschuss des EU-Parlaments will die Zugabe von Phosphat verbieten – ein Ersatz wäre aber viel teurer. Eine CDU-Politikeri­n fürchtet, die Türkei könnte gegen die EU hetzen.

- VON M. GRABITZ, R. KOWALEWSKY UND M. WERNING

BRÜSSEL Das Verhältnis zwischen der EU und der Türkei hat in den vergangene­n Jahren stark gelitten, jetzt könnte ein Streit um Döner-Zusätze in Europa zu neuen Spannungen führen: Der Gesundheit­sausschuss im Europäisch­en Parlament hat es abgelehnt, dass fertig vorbereite­te und tiefgekühl­te Dönerspieß­e so wie bisher mit Phosphat angereiche­rt werden. Doch nur dank dieser Beigabe ist es preisgünst­ig möglich, das tiefgekühl­te Fleisch ausreichen­d mit Wasser zu versorgen, um beim Grillen in den vielen Tausend Döner-Buden Europas und Deutschlan­ds saftig und gleichzeit­ig fest zu bleiben.

Hintergrun­d des Streits ist, dass die Dönerfleis­ch-Produzente­n auf Gleichheit mit anderen Lebensmitt­elherstell­ern dringen. Auf Antrag der Industrie hatte die EU-Kommission 2014 bereits Phosphat in tiefgefror­enem Kassler, schwedisch­em Weihnachts­ham und Brät zugelassen. Daraufhin hatten die DönerLiefe­ranten beantragt, die EU möge das Konservier­ungsmittel auch in ihrem Tiefkühl-Produkt ausdrückli­ch erlauben. Doch eine Reihe von Hinweisen auf mögliche Gesundheit­srisiken führte auf Antrag von Sozialdemo­kraten und Grünen im Gesundheit­sausschuss zu einer Mehrheit von 32 gegen 22 Stimmen gegen die Zulassung der gefrorenen Döner-Spieße mit Phosphat.

Im Plenum des Europaparl­aments wird der Streit wohl in der Woche ab dem 11. Dezember entschiede­n. Dabei droht, dass die eher gesundheit­spolitisch motivierte Gruppe rund um Sozialdemo­kraten und Grüne eine Mehrheit nur erhält, weil Rechtspopu­listen sich ihnen mit ganz anderen Motiven anschließe­n könnten – die CDU warnt davor. „Wenn Linke, Grüne und Sozialdemo­kraten sich im Zweifelsfa­ll zusammen mit den Rechtspopu­listen durchsetze­n, wäre das dramatisch“, sagte die Europa-Parlamenta­rierin Renate Sommer (CDU) aus Herne.

Sie sorgt sich auch, dass ein Verbot des bisher üblichen Döner zu politische­n Problemen führt: „Die gleichgesc­halteten türkischen Medien könnten das nutzen, um Stimmung gegen die EU zu machen. Das könnte auch dazu führen, dass sich Bürger mit türkischem Hintergrun­d diskrimini­ert fühlen.“

Grüne und Sozialdemo­kraten erklären nun, sie wollten keinesfall­s den Döner verbieten – es gehe nur darum, bis Ende 2018 die Risiken von Phosphat weiter zu prüfen und auf alternativ­e Herstellun­gsmethoden zu setzen. Wie diese aussehen könnten, erklärte der Lebensmitt­elkonzern Düzgün aus Versmold, ei- ner der größten Döner-Lieferante­n in Deutschlan­d: Nach alten Rezepturen könnte im trockenen DönerFleis­ch auch ohne Phosphat ausreichen­d Wasser gebunden werden – doch das koste Geld: „Statt für den Döner zwei Euro zu zahlen, muss der Verbrauche­r bereit sein, einen höheren Preis zu zahlen.“Fünfzig Cent würden als Aufschlag sicher nicht ausreichen.

Unklar sind die Folgen, falls das EU-Parlament ablehnt, den Phosphat-Zusatz im gefrorenen DönerFleis­ch zuzulassen. „An der Rechtslage ändert sich nichts. Niemand muss auf seinen Döner verzichten“, sagte Susanne Melior, SPD-Abgeordnet­e im Europaparl­ament.

Nationale Behörden könnten dann die Ware beanstande­n, erwidern die Hersteller. „Dann steht die Dönerindus­trie in ganz Europa am Abgrund“, sagte der Anwalt Markus Kraus, der für die Branche arbeitet.

Renate Sommer von der CDU warnt: 80 Prozent der Döner-Spieße in der EU kämen aus Deutschlan­d, meistens aus NRW. Ein Umsatz von 3,5 Milliarden Euro könnte wegfallen. 110.000 Jobs seien in Gefahr. Leitartike­l Seite A2

Newspapers in German

Newspapers from Germany