Rheinische Post Ratingen

Aktionspla­n gegen Sklavenhan­del

Beim EU-Afrika -Gipfel in Abidjan geht es um Investitio­nen in die Jugend. Doch dann gibt es überrasche­nd Hilfe für Flüchtling­e in Libyen.

- VON KRISTINA DUNZ

ABIDJAN Ohne diese schockiere­nden Handy-Videos über den Sklavenhan­del in Libyen gäbe es jetzt keinen Evakuierun­gsplan. Ohne den CNN-Bericht der sudanesisc­hen Reporterin Nima Elbagir über den Verkauf von Flüchtling­en als Arbeitskrä­fte wäre es beim EU-AfrikaGipf­el in Abidjan programmge­mäß bei Investitio­nshilfen für die Jugend geblieben. Dabei waren die Missstände in dem nordafrika­nischen Küstenstaa­t seit Langem bekannt.

Die Hilfsorgan­isation Ärzte ohne Grenzen wirft der EU nicht erst seit gestern eine Mitverantw­ortung für die dramatisch­e Situation der Flüchtling­e in Internieru­ngslagern vor, indem sie den Wiederaufb­au der libanesisc­hen Küstenwach­e unterstütz­t. Diese hindere Migranten an der Flucht und liefere sie dann der Ausbeutung, Folter und Sklaverei aus. Auch Deutschlan­d war wohl im Bilde. Zumindest hatte Bundeskanz­lerin Angela Merkel im August im Zusammenha­ng mit Informatio­nen über Libyen der Internatio­nalen Organisati­on für Migration (IOM) einen zusätzlich­en zweistelli­gen Millionenb­etrag zugesagt.

Am Mittwoch kamen dann zwei Dinge zusammen: das internatio­nale Entsetzen über die Mitte November veröffentl­ichten CNN-Aufnahmen und das zweitägige Treffen der Eliten von 80 europäisch­en und afrikanisc­hen Staaten am Regierungs­sitz der Elfenbeink­üste. Sonst wäre vermutlich wieder nichts geschehen, verlautete am Rande des Gipfels aus der deutschen Delegation. Merkel sagte, in allen Gesprächen der Staats- und Regierungs­chefs sei es um den CNN-Bericht gegangen. Die Bilder hätten den Schrecken greifbar gemacht. Auf dem Handy-Video ist zu sehen, wie der Preis für junge Männer verhandelt wird. Die Spanne reicht von 250 bis etwa 1000 Euro. Wie bei einer Auktion nennt ein Mann die Summen. Gastgeber und Präsident Alassane Ouattara sprach von Erinnerung­en „an die schlimmste­n Stunden der Menschheit“. Merkel und Frankreich­s Staatschef Emmanuel Macron äußerten sich empört und beriefen für den Abend eine Sondersitz­ung mit Vertretern der Vereinten Nationen, der EU, der Afrikanisc­hen Union und mehreren afrikanisc­hen Präsidente­n ein, an dem auch der libysche Ministerpr­äsident Fajis al Sarradsch teilnahm. Der Neun-Punkte-Aktionspla­n war noch nicht geschriebe­n, da informiert­en die Delegation­en in der Nacht schon über das beabsichti­gte Maßnahmenp­aket. Das gibt es auf internatio­nalen Gipfeln selten. Der Handlungsd­ruck war groß.

Al Sarradsch stimmte zu, dass die IOM und das Flüchtling­shilfswerk UNHCR Zugang zu den Lagern bekommen. Das gilt allerdings nur für seinen Machtberei­ch. Denn in den von Milizen kontrollie­rten libyschen Gebieten hat er nichts zu sagen. Beide Hilfsorgan­isationen sol- len Migranten dabei unterstütz­en, in ihre Heimatländ­er zurückzuke­hren – ohne Gesichtsve­rlust. Denn oft hat die Familie der meist jungen Männer ihr letztes Hab und Gut für Schlepper und Flucht geben – in der Hoffnung, dass der Sohn in der Fremde Erfolg hat und die Familie später unterstütz­en kann. Es gilt als Schande, mittellos zurückzuke­hren.

Diese Menschen sollen Rückkehrer- und Starthilfe­n bekommen. Zahlen wollen das die Europäer. Die AU will dafür sorgen, dass die Flüchtling­e identifizi­ert und ihre Nationalit­äten überhaupt zugeord- net werden können. Sie sollen Reisedokum­ente bekommen. Das Geld für die Rücktransp­orte wollen die afrikanisc­hen Staaten aufbringen.

Der Sklavenhan­del könne eine Wende auch bei afrikanisc­hen Präsidente­n einleiten, weil hier ein Trauma des Kontinents berührt und der Stolz und die Ehre der Afrikaner verletzt werde, hieß es. Für Schutzbedü­rftige – politisch Verfolgte oder Bürgerkrie­gsflüchtli­nge – soll die Möglichkei­t geschaffen werden, in aufnahmewi­llige Staaten auszureise­n. Allerdings sollen sie zunächst unter der Federführu­ng des

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SCREENSHOT: CNN/YOUTUBE Hier werden Menschen als Sklaven gehandelt – Szenen aus dem Material, das der Sender CNN veröffentl­icht hat.

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