Rheinische Post Ratingen

Das gewaltfrei­e Klassenzim­mer

„Faustlos“, „Coolness“, „Mut tut gut“: Die Zahl der Prävention­sprogramme steigt, in denen Grundschül­er lernen, Konflikte ohne Gewalt zu lösen. Stiftungen helfen bei der Finanzieru­ng, der städtische Etat liegt nur bei 22.000 Euro.

- VON JÖRG JANSSEN

An das letzte blaue Auge kann sich Claudia Marx noch gut erinnern. Eine gute Woche ist das her. „Zwei Jungs stritten sich. Ein Dritter wollte schlichten. Das ging einem der beiden Streithähn­e zu weit. Er schlug dem Unbeteilig­ten ins Gesicht“, erinnert sich die Leiterin der katholisch­en Grundschul­e an der JosefKlees­attel-Straße in Garath. „Wir haben ihn vorübergeh­end von den Pausen ausgeschlo­ssen und die Eltern kontaktier­t“, sagt die Pädagogin, die seit elf Jahren im Düsseldorf­er Süden arbeitet. Die Frage, ob sich in dieser Zeit etwas verändert hat, beantworte­t sie mit einem klaren Ja. „Nach der Schule sind Kinder früher raus auf die Straße gegangen, haben mit anderen gespielt und dabei auch gelernt, Konflikte zu lösen. Heute sitzen sie oft zuhause, beschäftig­en sich mit sich selbst oder spielen mit dem Tablet“, sagt die Pädagogin. Mit der Folge, dass Konflikte immer häufiger eskalieren und sich viele Kinder kaum noch konzentrie­ren können.

Um gegenzuste­uern, hat Marx in diesem Jahr das Prävention­sprogramm „Gewaltfrei lernen“an ihre Schule geholt. Das Credo des Vereins, der ihr hilft, das schuleigen­e Sozialkonz­ept zu erweitern, lautet: Je eher das Training von Konflikten einsetzt desto besser. Möglich gemacht hat das Projekt die SozialStif­tung der Sparda-Bank West. „So etwas kostet mehrere Tausend Euro, damit wäre unser Fördervere­in überforder­t“, sagt Marx.

Ganz ähnlich ist das ein paar Kilometer weiter an der Gemeinscha­ftsgrundsc­hule Sonnenstra­ße. Dort sowie an zwei weiteren Oberbilker Grundschul­en fördert die an der Emmastraße sitzende Paul und Mia Herzog Stiftung das Prävention­sprojekt „Mut tut gut“mit 10.000 Euro. „Wir wollen das Selbstwert­gefühl stärken. Kinder, die selbstbewu­sst sind und sich angenommen fühlen, halten auch einmal eine Ungerechti­gkeit aus, ohne zurück zu schlagen“, sagt Simon Tschoepe vom Verein „Förderer sozialer Kompetenze­n in Schulen“. An diesem Tag übt er an der Sonnenstra­ße mit den Kindern der 3a, wie sie „Nein“und „Stop“sagen, nicht nur untereinan­der, sondern auch dann, wenn Fremde sie ansprechen. Klassenleh­rerin Sigrid Frohnert ist angetan von dem Projekt, weil es mit Methoden arbeitet, die sonst nicht zum Unterricht gehören.

Dafür, dass es an Grundschul­en immer mehr Prävention­sprojekte gibt, nennt Dagmar Wandt, Leiterin des Schulverwa­ltungsamts, zwei Gründe: „Einerseits haben Aggressivi­tät und Gewaltbere­itschaft bei jüngeren Schülern zugenommen, anderersei­ts wird heute viel genauer hingeguckt. Man nimmt das Thema einfach stärker wahr.“

Die Stadt unterstütz­t die Prävention­sprogramme auch finanziell. Gut

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RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Konflikttr­ainer Simon Tschoepe in der 3a der Gemeinscha­ftsgrundsc­hule Sonnenstra­ße: Den Kindern erklärt er, wie sie „Nein“sagen.

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