Rheinische Post Ratingen

Söder übernimmt

Horst Seehofer zieht sich als Ministerpr­äsident zurück, will aber Parteichef bleiben. Ein heikles Arrangemen­t mit dem Erzrivalen.

- VON KRISTINA DUNZ UND EVA QUADBECK

BERLIN/MÜNCHEN Horst Seehofer hat sich einmal als bayerische­r Löwe bezeichnet, der brüllen kann, aber auch schnurren wie ein Kätzchen. Nun tut er weder das eine noch das andere. Er sitzt einfach da in dieser Pressekonf­erenz in München und teilt mit, dass er sich im ersten Quartal 2018 vom Posten des Ministerpr­äsidenten zurückzieh­en werde. Der Himmel über Bayern ist also eingestürz­t. Denn das hatte Seehofer im vorigen Jahr als einzigen Grund dafür genannt, einmal vorzeitig dieses Amt abzugeben.

Und er übergibt es an seinen Erzrivalen Markus Söder, den 18 Jahre jüngeren Landesfina­nzminister, dem er vor Jahren in inniger Feindschaf­t „Schmutzele­ien“und charakterl­iche Schwächen vorgeworfe­n hatte. Er meinte damals Illoyalitä­t und Leistungsd­efizite. Seehofer hatte sich 2016 noch bereit erklärt, sein Amt als CSU-Chef vorzeitig zur Verfügung zu stellen. Genau das will er jetzt behalten. Beim Parteitag in Nürnberg Mitte des Monats will der 68-Jährige noch einmal antreten. Das ist der Deal der beiden Lager von Seehofer und Söder, sie selbst sind zwei Alphatiere, die nun eine Doppelspit­ze bilden sollen.

Ein paar Stunden zuvor war Söder gestern vor die Kameras getreten. Er verzichtet­e auf Triumphgeh­eul und gab sich staatstrag­end: „Es komme jetzt darauf an, vor der Geschichte zu bestehen, vor der Geschichte der CSU und der Geschichte dieses Landes. Dazu müssten die Stärksten eng zusammenar­beiten.“Dabei hatten er und seine Anhänger in Seehofer nach dem für CSU-Verhältnis­se schlechten Ergebnis bei der Bundestags­wahl von unter 40 Prozent keineswegs einen der Stärksten gesehen. Ihm wurde vorgeworfe­n, mit seinem Wankelmut – erst wollte er etwa die Kanzlerin wegen der Flüchtling­spolitik verklagen, dann gab es die nicht sehr überzeugen­de Versöhnung – viele Wähler irritiert zu haben. Merkeliane­r und Anti-Merkeliane­r unter den CSU-Anhängern sprangen ab, weil sie sich nicht mehr vertreten sahen. Auf Kreisebene und in der von Thomas Kreuzer geführten Landtagsfr­aktion wurde Seehofers Rücktritt gefordert.

Als Söder bei einer Tagung der Jungen Union Bayerns, die von Hans Reichhart geführt wird und die Seehofer wegen der JamaikaSon­dierungen in Berlin nicht besuchen konnte, auftauchte, hielten wie zufällig JU-Leute „MP Söder“Schilder hoch. Landesmini­ster wie Ludwig Spaenle versuchten, Söder in Stellung zu bringen.

Söder ist es gelungen, sich in Bayern mit Gefälligke­iten, Verspreche­n und Abhängigke­iten ein stabiles Netz zu schaffen. In der Fläche nutzt er seine Doppelfunk­tion als Finanzund Heimatmini­ster. Allerorten finden sich große Tafeln, die sein Konterfei oder zumindest groß seinen Namen tragen. Diese Tafeln erinnern an die Wohltaten des Ministers, hier eine Umgehungss­traße, dort eine Brückensan­ierung, da die Instandhal­tung alter Bausubstan­z.

Und ewig grüßt der Heimatmini­ster – auch in Seehofers Heimatregi­on rund um Ingolstadt. Mit dem Füllhorn kann man sich Bürgermeis­ter, Landräte und Landtagsab­geordnete zu Freunden machen. Jetzt ist er am Ziel. Seinen Sieg nimmt er öffentlich mit Demut auf. Das könnte Seehofer als Handrei- chung verstehen. Wie ein Fluch begleitet Söder aber bis heute Seehofers Vorwurf der „Schmutzele­ien“. Landtagsab­geordnete, die den CSUMann alltäglich aus der Nähe erleben, berichten, dass Söder auf nichts so dünnhäutig reagiere wie auf den Vorwurf charakterl­icher Schwächen.

Ausgerechn­et Seehofer versucht nun in dieser Stunde des propagiert­en Neuanfangs diese Sache beiseitezu­räumen. „Das belastet uns überhaupt nicht“, behauptet er. Söder und er hätten immer wieder „schwierigs­te politische Entscheidu­ngen gemeinsam geschulter­t“. Wichtig sei jetzt, „dass die gute Zusammenar­beit im Alltag gelebt werden muss, um die Menschen davon zu überzeugen“. Es sieht nach einer Doppelspit­ze der Notwendigk­eit aus. Ob sie halten wird, erscheint ungewiss. Jedenfalls machen SeehoferGe­treue wie Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt oder die stellvertr­etende bayerische Ministerpr­äsidentin Ilse Aigner keinen Hehl aus ihrer Distanz zu Söder. Aber obwohl es nicht nach einer selbstbest­immten Entscheidu­ng aussieht, kann Seehofer, der seit über 40 Jahren Politik macht, nun behaupten, dass er einen „geordneten Übergang“eingeleite­t hat. „Der ist in der Politik nicht Standard.“Eher das Gegenteil. „Der Wechsel gehört zum Leben“, sagt er. „Dann muss man diesen Grundsatz auch akzeptiere­n, wenn man selbst betroffen ist.“

Es fällt ihm sichtlich schwer. Ob er nun Minister im Kabinett von Angela Merkel werde, wird er gefragt. Erst sagt er „Nein“. Dann, dass das „nicht primär“sein Anliegen sei. Und schließlic­h: „Nach meiner Laufbahn, die hinter mir liegt und in der ich noch mittendrin bin, bin ich ein sehr freier Mensch.“

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FOTOS: DPA(9), THINKSTOCK | MONTAGE: FERL

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