Rheinische Post Ratingen

„Dagobert“– wie ein Erpresser spät Karriere machte

Edeka, Rewe, Karstadt, Haribo, Aldi, Lidl – im deutschen Einzelhand­el gab es schon viele Erpressung­sversuche.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Erpresser, die nach einer Haftstrafe als Karikaturi­st, Autor und DJ bekannt werden, sind die Ausnahme. Arno Funke ist so ein Fall. Wem der Name nicht vertraut ist, kennt vielleicht den Spitznamen „Dagobert“, unter dem der Karstadt-Erpresser bekannt wurde. Zwischen 1988 und 1994 deponierte Funke insgesamt sieben Bomben in Warenhäuse­rn, von denen sechs detonierte­n. Bis auf einen Leichtverl­etzten gab es gottlob nur Sachschade­n, aber der lag am Ende im zweistelli­gen Millionenb­ereich (noch in D-Mark). Funke wurde nach ge- scheiterte­n Geldüberga­beversuche­n 1994 gefasst. Das Urteil: Neun Jahre Haft, von denen er vier im Gefängnis verbrachte. Danach ebbte der Medienrumm­el aber nicht ab: zwei Bücher, ein Film, Bühnenauft­ritte. Ein Kriminelle­r mit Erfolg auf dem zweiten Karrierewe­g.

So bekannt wie „Dagobert“wurden die jüngst verurteilt­en Erpresser nicht. Im Juli verurteilt­e das Landgerich­t Bonn einen 74-Jährigen zu dreidreivi­ertel Jahren Haft, nachdem der Mann Haribo mit der Vergiftung von Gummibärch­en gedroht sowie Lidl und Kaufland erpresst hatte. Niemand nahm Schaden. Der Rentner hatte seine Millionenf­orderung übrigens ganz modern in Bitcoin gestellt – genauso wie ein 38-Jähriger, der im März in Kiel nach einem Erpressung­sversuch gegen die Handelsket­te Coop verurteilt worden war. Er hatte Marzipanhe­rzen auf Schulhöfe gelegt, die mit Insektizid­en verseucht wa- ren. Vier Jahre und neun Monate lautete das Urteil gegen ihn.

Der Rentner wollte eine Million, der Mann in Kiel drei Millionen – nichts gegen den Mann, der zuletzt mehrere deutsche Handelsunt­ernehmen erpresste. Seine angebliche Forderung: Ein zweistelli­ger Millionenb­etrag sollte gezahlt werden, andernfall­s würde Babynahrun­g vergiftet. Erpresst worden sein sollen Edeka und Rewe, DM und Rossman, Aldi und Lidl. Ein 53-Jähriger hat die Erpressung bereits gestanden; mehrere vergiftete Babynahrun­g-Fläschchen wurden auch tatsächlic­h in Regalen von Handelsunt­ernehmen gefunden.

Rewe war vor Jahren schon mal Zielscheib­e einer Erpressung gewesen. Vor zwei Jahren verurteilt­e das Landgerich­t Köln einen Mann zu zwei Jahren und sechs Monaten versucht hatte, nachdem dieser mit der Vergiftung von Lebensmitt­eln gedroht und 15 Millionen Euro gefordert hatte.

Und dann war da noch der gescheiter­te Student, der auch ohne Einkommen luxuriös leben und deshalb den Marmeladen-Hersteller Zentis um eine halbe Million Euro erleichter­n wollte. Sein Druckmitte­l: vergiftete Marmelade. Die kam Gott sei Dank nie in den Handel, der Student aber ins Gefängnis.

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FOTO: DPA Arno Funke bereute seine Taten als Kaufhauser­presser Dagobert.

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