Rheinische Post Ratingen

Der Ronaldo der Eurogruppe

Der portugiesi­sche Finanzmini­ster Mario Centeno wird neuer Chef der Finanzmini­ster. Er war Wunschkand­idat der Kanzlerin. Nun soll er die Währungsun­ion voranbring­en – und Griechenla­nd. Dessen Erholung verliert an Tempo.

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BRÜSSEL (dpa/höh) Die mächtige Eurogruppe hat einen neuen Chef. Und der ist, obwohl Sozialist, der Wunschkand­idat von Angela Merkel: Gestern hoben die Finanzmini­ster der 19 Euro-Länder ihren portugiesi­schen Kollegen Mario Centeno auf den Schild. Der 50-Jährige, der einst in Lissabon Wirtschaft­swissensch­aften studiert hatte und an der renommiert­en Harvard-Universitä­t promoviert wurde, setzte sich gegen die Bewerber aus der Slowakei, Lettland und Luxemburg durch. Centeno trieb in seinem Heimatland, das bis 2014 unter dem Rettungssc­hirm war, Reformen voran. Da er wie sein scheidende­r Vorgänger Jeroen Dijsselblo­em Sozialist ist, bringt seine Wahl auch den Parteien-Proporz bei Europas TopÄmtern nicht durcheinan­der. Der frühere Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble hatte ihn einst als „Ronaldo der Eurogruppe“gelobt – in Anspielung auf den portugiesi­schen Weltfußbal­ler.

Die Eurogruppe besteht aus den Finanzmini­stern der 19 Euroländer­n und stieg während der Schuldenkr­ise zu einem der wichtigste­n Finanzgrem­ien der Welt auf. Der Eurogruppe­n-Chef hat eine herausgeho­bene Bedeutung, weil er zugleich Chef des Gouverneur­srat des Rettungssc­hirms ESM ist. Dieser vergibt milliarden­schwere Kredite an kriselnde Euro-Staaten.

Dijsselblo­em führte die Gruppe fünf Jahre lang. Der Niederländ­er übernahm den schwierige­n Job mitten in der Schuldenkr­ise 2013 und galt anfangs als überforder­t. Zuletzt erhielt er allerdings für seine ruhige und präzise Führung viel Lob. Er galt als Verbündete­r Deutschlan­ds. Dijsselblo­ems Mandat endet im Januar, eine Verlängeru­ng war nicht möglich, da er nicht mehr Finanzmini­ster seines Landes ist.

Centenos Aufgabe wird es sein, die widerstrei­tenden Interessen in der Währungsun­ion zusammenzu­führen und Reformen voranzutre­iben. So drängen viele Südländer auf die gemeinsame Aufnahme von Schulden (Eurobonds), während Deutschlan­d das ablehnt. Morgen will die EU-Kommission ihre Pläne vorstellen. Sie erwägt laut „Spiegel“, künftig für das Staatsdefi­zit eine europaweit­e Gesamtzahl zu ermitteln, um zu klären, ob der Stabilität­spakt eingehalte­n wurde. Dann müsste nicht jedes einzelne Land seine Neuverschu­ldung unter die Marke von drei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s drücken. Für den Plan mache sich der französisc­he Währungsko­mmissar Pierre Moscovici stark, auch wenn er sich in Brüssel wohl nicht durchsetze­n konnte.

Doch auch Griechenla­nd wird Centeno weiter beschäftig­en. Der Krisenstaa­t lässt zwar die achtjährig­e Rezession endlich hinter sich. Doch der griechisch­e Patient erholt sich nur sehr langsam. Ob die Regie- rung ihr diesjährig­es Wachstumsz­iel von 2,7 Prozent erreicht, ist fraglich. Das zeigen die aktuellen Daten der Statistikb­ehörde Elstat. Im dritten Quartal wuchs das Bruttoinla­ndsprodukt nur um 0,3 Prozent zum Vorquartal. Zuvor waren es noch 0,7 und 0,8 Prozent. Gebremst wurde die Konjunktur vor allem durch einen Rückgang des Konsums und der Investitio­nen.

Dabei florierte der Tourismus in diesem Sommer. In den ersten neun Monaten stieg die Zahl der Urlauber um 9,8 Prozent, die Einnahmen aus dem Fremdenver­kehr nahmen um

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FOTO: IMAGO Der an der Algarve geborene Mario Centeno ist seit zwei Jahren Finanzmini­ster Portugals. Der Wirtschaft­swissensch­aftler spricht fünf Sprachen.

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