Rheinische Post Ratingen

„Olympia ist mehr als Doping und Korruption“

Richard Schmidt (30) ist Olympiasie­ger mit dem Ruder-Achter und einziger Deutscher in der Athletenve­rtretung der Welt-Anti-Doping-Agentur. Das Image des olympische­n Sports in der Öffentlich­keit bereitet ihm große Sorgen.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

DORTMUND An diesem Nachmittag ist der Dortmund-Ems-Kanal ein trister Ort. Es ist kalt, regnet in Strömen, der Wind pfeift über das Wasser. Kein Wetter, bei dem man Lust auf Rudern verspürt. Das geht auch Richard Schmidt so. Obwohl Rudern sein Leben bestimmt. Schließlic­h sitzt er seit neun Jahren im Deutschlan­d-Achter. Aber heute ist der 30-Jährige froh, dass nur Krafttrain­ing und eine Runde Hallenfußb­all anstehen. Keine Einheit auf dem Kanal. Vor dem Kraftraum geht es aber erst einmal in den Glaskasten, wie die Ruderer den Besprechun­gsraum im 2. Stock des Leistungsz­entrums nennen.

Eine Stunde nimmt sich der Olympiasie­ger von 2012 dann Zeit, um zu versichern, dass etwas nicht stimmt mit dem Image, das der olympische Sport hierzuland­e aktuell hat. „Die meisten Amateurspo­rtler, die bei Olympia antreten, vertreten ganz andere Werte als all das Schlechte, das über Olympia momentan geschriebe­n wird. Ehrlichkei­t, Leidenscha­ft, Beharrlich­keit, Fairness – gesunde Attribute, die in der Gesellscha­ft Vorbilder kennzeichn­en. Aber in den Medien geht es bei Olympia nur noch um Doping oder Korruption. Dabei ist Olympia doch so viel mehr.“Es stört ihn gewaltig, das merkt man an der Energie, mit der er spricht. Aber der Wirtschaft­singenieur will nicht nur bemängeln. Er will das Übel Doping aktiv bekämpfen.

Deswegen sagte er auch ja, als man ihn im Vorjahr für die Athletenve­rtretung der Welt-Anti-DopingAgen­tur (Wada) vorschlug. Er ist dort der einzige Deutsche. „Es bringt nichts, wenn man sich immer nur über das Doping-Problem beschwert und sagt, alles ist blöd. Man muss irgendetwa­s machen“, sagt Schmidt. Die Wada sitzt zwar in Kanada, aber in Zeiten von OnlineKonf­erenzen ist auch das nicht aus der Welt. Zudem steht Schmidt vor Ort mit der Nationalen Anti-Do- ping-Agentur (Nada) im Kontakt, tauscht sich viel mit Athletensp­recherin Silke Kassner, einer Kanutin, aus. Sie alle verfolgen ein Ziel: „Es wäre super, wenn sich irgendwann mal alle Länder an den Wada Compliance Code halten“, sagt Schmidt. Das hieße, dass sich alle Nationen denselben Standards im Anti-Doping-Kampf unterordne­n. „Ich finde, dass wir in Deutschlan­d ein sehr strenges Anti-Doping-System haben, und das muss auch so sein. Aber ich weiß, dass es internatio­nal anders läuft, und das finde ich nicht fair. Denn der Imageschad­en, den Doping im Sport anrichtet, ist eine Katastroph­e.“

Die größte Katastroph­e im internatio­nalen Sport haben nach Überzeugun­g fast aller die Russen zu verantwort­en, weil sie über Jahre hin- weg staatlich organisier­tes Doping im Leistungss­port betrieben. Heute will das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) entscheide­n, ob es das russische Team deswegen von den Winterspie­len in Pyeongchan­g im Februar ausschließ­t. Schmidt ist selbst gespannt, wie die Entscheidu­ng ausfällt. „Das IOC hat aktuell einfach keinen guten Ruf, und das liegt nicht nur an den bösen Medien, die so schlecht über das IOC berichten. Ich glaube, dass es in Bezug auf Russland genauso entscheide­t wie im Vorfeld von Rio“, sagt er. Im Vorjahr hatte man sich nicht zu einem Komplett-Ausschluss für die Sommerspie­le durchringe­n können. Zum Missfallen von Schmidt. „Wenn Doping mit System passiert, ist es noch einmal eine ganz andere Qualität des Betrugs. Der russische Verband muss merken, dass es so

nicht geht.“

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FOTO: IMAGO Richard Schmidt im Trikot des Deutschlan­d-Achters.

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