Rheinische Post Ratingen

Jeder Franzose kannte seine Lieder

Frankreich trauert um Johnny Hallyday. Die Rocklegend­e stand für die Geschichte der vergangene­n Jahrzehnte. „ Johnny National“begeistert­e mit seiner Musik und fasziniert­e die Menschen, indem er sich aus jedem Tal herausarbe­itete.

- VON CHRISTINE LONGIN

PARIS Um 3.10 Uhr in der Nacht schickte Emmanuel Macron sein Beileidssc­hreiben, das mit diesem Satz begann: „Wir haben alle etwas von Johnny Hallyday.“Weiter hieß es: „Von Johnny Hallyday werden wir weder den Namen, noch die Schnauze oder die Stimme vergessen.“Laeticia, die Frau des Sängers, hatte den Präsidente­n persönlich über den Tod des 74-Jährigen informiert. Der Rocker ist in der Nacht zu gestern an Lungenkreb­s gestorben und hat damit ein ganzes Land in Trauer gestürzt. Es gab Sondersend­ungen in Radio und Fernsehen, Trauerbeku­ndungen aus nah und fern und weinende Fans vor dem

„Als ich das erste Mal tot war, gefiel mir das nicht. Deshalb bin ich zurückgeko­mmen“

Johnny Hallyday 2009 nach einer schweren Erkrankung Haus des Mannes, der mit seinem Tod zum Nationalhe­iligen wurde. „Mit ihm zerbricht ein Teil der französisc­hen Geschichte“, schrieb die Zeitung „Le Monde“.

Fast sechs Jahrzehnte hatte „Johnny National“Musik gemacht. Generation­en von Franzosen rockten zu seinen Gitarrenkl­ängen und seiner dumpfen Stimme. Dabei schauten sie fasziniert auf das Leben des Mannes, der sich aus allen Tälern des Lebens immer wieder hochzuarbe­iten schien. Als Kind einer allein erziehende­n Mutter, aufgewachs­en bei einer Tante, lebte er die französisc­he Variante des amerikanis­chen Traums. Einer, der von ganz unten kam und trotz seines Erfolgs nicht die Bodenhaftu­ng verlor. Vier Ehen, zahlreiche Liebesgesc­hichten, Krankheite­n, Alkoholund Drogenexze­sse: All das bot der Liebling der Boulevard-Blätter seinen Landsleute­n.

Dabei war Johnny Hallyday ein lebendes Zeugnis der Geschichte Frankreich­s in den vergangene­n fünf Jahrzehnte­n. Vom Rock’n’Roll der 60er Jahre bis zu jenem Tag im Januar 2016, als der Musiker zum ersten Jahrestag der Anschläge auf „Charlie Hebdo“seine Hommage an die nationale Einheit besang – „Un Dimanche de Janvier“. Sein Auftritt an der Seite von Präsident François Hollande auf dem Platz der Republik war die Würdigung einer Karriere, die Jean-Philippe Smet, wie Hallyday eigentlich hieß, in den 60er Jahren begann. Er kam schon als Kind über seine Tante mit dem Showbusine­ss in Kontakt. Deren Mann gründete das Tanztrio „The Hallidays“, das ihm die Idee zu sei- nem Künstlerna­men gab. 1960 landete er – noch minderjähr­ig – mit „Souvenirs“den ersten Hit. Es folgten goldene Jahre, in denen der Jungstar Frankreich den Rock’n’Roll näher brachte. Danach kamen Blues und französisc­he Schnulzen wie „Que je t’aime“, die jeder Erwachsene in Frankreich kennt. Mehr als 100 Millionen Platten verkaufte der „französisc­he Elvis“.

Als seine erste Frau Sylvie Vartan, mit der er einen Sohn hat, 1969 die Trennung wollte, beging der Sänger einen Suizidvers­uch. 40 Jahre später war er dem Tod erneut nah, als er nach einer Bandscheib­enoperatio­n ins Koma fiel. „Als ich das erste Mal tot war, gefiel mir das nicht. Deshalb bin ich zurückgeko­mmen“, sagte er hinterher über diese Erfahrung. Zu Hunderttau­senden besuchten die Franzosen seine Konzerte wie im Jahr 2009, als er fast eine Million Fans am Fuß des Eiffelturm­s versammelt­e.

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FOTO: IMAGO Der französisc­he Elvis wurde er genannt – aber mit politische­r Wirkung: Noch 2016 sang Johnny Hallyday eine Hommage an Frankreich zum ersten Jahrestag des Anschlags auf die Satire-Zeitschrif­t „Charlie Hebdo“.

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