Rheinische Post Ratingen

Glaube an das Gute im Sport ist oft naiv

- VON SYLVIA SCHENK

DÜSSELDORF Korruption ist ein seltsames Delikt – Opfer und Schaden sind nicht erkennbar, die Dunkelziff­er ist extrem hoch. Viele Korruption­sfälle kommen nie ans Licht, und in früheren Zeiten – gar nicht lange her – sah man das alles sowieso noch ganz anders: Auslandsbe­stechung konnte in Deutschlan­d bis einschließ­lich 1996 als „Nützliche Aufwendung­en“von der Steuer abgesetzt werden, seit 1998 ist dies ein Straftatbe­stand.

Das muss man wissen, wenn man die Lage im internatio­nalen Sport beurteilen will. Die vielen Korruption­sfälle, die in den vergangene­n Jahren aufgedeckt wurden, sind zunächst einmal ein gutes Zeichen: Alte Missetaten kommen zum Vorschein, neuere werden oft zeitnah gemeldet. Das ist, allen negativen Schlagzeil­en zum Trotz, eine positive Entwicklun­g. Es schadet auch nicht, dass der oft naive Glaube an das Gute im Sport erschütter­t wird. Kein Lebensbere­ich ist vor Fehlverhal­ten gefeit, und wenn es, wie im Sport, um Ruhm, Ehre, Pöstchen so- wie Macht und Geld geht, wird in harter Konkurrenz auch gerne zu unlauteren Methoden gegriffen. Von der Selbstbedi­enungsment­alität, die es ebenfalls nicht nur im Sport gibt, mal ganz abgesehen. Insofern war es höchste Zeit, dass Sportorgan­isationen und die sie umschwirre­nden Agenturen, Sponsoren, TV-Unternehme­n die Entwicklun­g in Wirtschaft und Politik, wo systematis­che Prozesse zur Wahrung der Integrität schon seit Beginn des Jahrtausen­ds zum Thema geworden sind, nachvollzi­ehen. Fairness und gesetzestr­eues Verhalten verwirklic­hen sich nicht von selber, sie müssen durch entspreche­nde Programme und Prozesse immer wieder aufs Neue gesichert werden.

Wie steht es denn nun wirklich um den Sport? Zumindest lässt sich feststelle­n: Die Verantwort­lichen sind aufgewacht. Weltweit gibt es Maßnahmen zur „Good Governance“, entspreche­nd den Compliance­Programmen in Unternehme­n. Das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC), der Weltfußbal­lverband (Fifa), der Internatio­nale Leichtathl­etik-Verband (IAAF) und andere ha- ben Reformprog­ramme aufgesetzt. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat bereits 2015 ein Konzept zur Good Governance verabschie­det, das nach und nach auch auf die Spitzenver­bände und Lan- dessportbü­nde – einzelne haben bereits nachgezoge­n – übertragen werden soll. Aber es ist noch ein weiter Weg. Zeigt sich schon in Deutschlan­d, wie mühsam es ist, langgedien­te Funktionär­e von neuen Anforderun­gen an Transparen­z und Verantwort­lichkeit in der Führung von Vereinen und Verbänden zu überzeugen, stellt sich die Aufgabe im globalen Kontext ungleich schwierige­r dar. Kulturelle Schranken müssen überwunden, Delegierte aus Ländern am Ende des Korruption­sindex eingebunde­n werden. Was in den Zentralen von IOC, Fifa und IAAF an ersten Schritten umgesetzt wird, ist noch lange nicht im letzten Winkel des Erdballs angekommen. Und all das in einem Umfeld, wo Sport, insbesonde­re große Sportveran­staltungen, Teil des Machtkampf­es auch zwischen Ländern sind und der nationalen Repräsenta­tion bzw. der Imagewerbu­ng für manchen Herrscher dienen.

Außerdem erleben die Sportorgan­isationen aktuell, dass Reputation schnell zerstört, aber nur in einem langen Prozess wieder aufgebaut werden kann. Sich Glaubwürdi­gkeit neu zu erarbeiten, verlangt nicht nur strukturel­le Reformen und neue Personen an der Spitze, sondern einen grundlegen­den kulturelle­n Wandel. Dazu gehören insbesonde­re pro-aktive Kommunikat­ion, das Eingestehe­n von Fehlern und auch ein Stück weit Demut – es wäre schön, wenn der Sport den heutigen Anti-Korruption­stag zum Anlass nimmt, insoweit noch größere Fortschrit­te zu machen. Die Autorin (65) ist Leiterin der Arbeitsgru­ppe Sport bei Transparen­cy Internatio­nal Deutschlan­d, einer Nichtregie­rungsorgan­isation zur weltweiten Bekämpfung von Korruption. Schenk war als Leichtathl­etin Olympiatei­lnehmerin 1972, Richterin am Arbeitsger­icht, Stadtdezer­nentin in Frankfurt und von 2001 bis 2004 Präsidenti­n des Bundes Deutscher Radfahrer. Zuletzt begleitete sie die Auswahl der EM-Bewerberst­ädte des DFB für 2024.

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FOTO: DPA Sylvia Schenk

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