Rheinische Post Ratingen

Ein Hoch auf zwei zornige, aber mutige Strafricht­er

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Stephan Zantke ist ein 54 Jahre alter Richter am Amtsgerich­t Zwickau. Im Strafproze­ss gegen einen 29-jährigen Intensivtä­ter und Flüchtling aus Libyen platzte Richter Zantke der Kragen, und er fuhr besagtem Angeklagte­n, Mohamed F., frontal in die Parade: „Wenn es bei uns so scheiße ist, warum sind Sie dann hier?“

Die einen werden zusammenzu­cken und sich fragen: Darf ein Richter so etwas sagen? Fällt er nicht mit dieser Derbheit zulasten eines Angeklagte­n aus seiner gesetzlich bestimmten Rolle gebotener Zurückhalt­ung und Neutralitä­t? Die anderen – und das ist hoffentlic­h eine deutliche Mehrheit – dürften positiv, wenn nicht sogar begeistert rea-

Auch Richtern darf mal der Kragen platzen. In Berlin und Zwickau ist das spektakulä­r passiert. Wer hätte dafür nicht Verständni­s?!

gieren, vielleicht mit dem bekannten Ausdruck der Zufriedenh­eit auf den Lippen: „Es gibt noch Richter in Deutschlan­d!“

Für mich ist Stephan Zantke ein Held des Justizallt­ags. Der Flüchtling aus Libyen hatte im Asylbewerb­erheim immer wieder randaliert, dabei hohen Schaden angerichte­t und Mitarbeite­r in der Unterkunft mit einem Messer angegriffe­n. Im Supermarkt hatte er ein kleines Kind mit einer Bierflasch­e beworfen; die herbeigeru­fenen Polizisten bespuckt und Frauen üblicherwe­ise als „Nazi-Huren“und „ScheißDeut­sche“beleidigt. Besonders letztere Gewohnheit­en des Nordafrika­ners mit Gastrecht veranlasst­en Richter Zantke zu seinem Zornaus- bruch. Der Zugewander­te sei frauenfein­dlich und respektier­e nicht einmal Kinder: „Was wäre wohl mit uns in Libyen passiert, wenn wir ähnlicher Straftaten, wie Sie sie hier im Gastland begangen haben, beschuldig­t worden wären?“

Mohamed F. wurde zu eineinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Demnächst steht er erneut vor Gericht, weil er einen Marokkaner mit einer zerbrochen­en Flasche verletzt haben soll.

Es ist sieben Jahre her, dass der Bestseller der legendären Jugendrich­terin Kirsten Heisig aus BerlinNeuk­ölln den Buchmarkt stürmte. Das Buch heißt „Das Ende der Geduld–konsequent­gegenjugen­dliche Gewalttäte­r“. Womöglich gehört der Zwickauer Richter zu den Lesern der mutigen Kollegin und bürgerlich­en Tabubreche­rin Kirsten Heisig, die sich kurz vor Erscheinen ihrer Streitschr­ift das Leben genommen hatte. In Neukölln wurde 2016 ein Platz nach ihr benannt. Heisig und Zantke stehen für die Erfahrung von Praktikern des Strafrecht­s, dass der Staat immer noch viel zu lange Zeit benötigt oder zu verzagt ist, um jugendlich­en Kriminelle­n oder gewalttäti­gen Familiencl­ans, über deren Umtriebe die Berliner Jugendrich­terin entgeister­t zu berichten wusste, ihre Taten und die Konsequenz­en daraus vor Augen zu führen. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

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