Rheinische Post Ratingen

Noch ein Sieg bis zum Tischtenni­s-Thron

Dimitrij Ovtcharov kann heute Weltrangli­sten-Erster werden – und die Phalanx der Chinesen durchbrech­en. Der 29-Jährige wäre der zweite Deutsche auf Platz eins nach Timo Boll. Dazu muss er die Nummer acht, Koki Niwa, besiegen.

- VON PATRICK SCHERER

DÜSSELDORF Im Mai sitzt Dimitrij Ovtcharov im Deutschen Tischtenni­s Zentrum in Düsseldorf. Die Weltmeiste­rschaft steht unmittelba­r bevor. Ein paar Meter neben ihm hängt im Schaukaste­n die Weltrangli­ste. Platz fünf: Dimitrij Ovtcharov, GER. Bester Deutscher. Bester Europäer. Davor vier Größen aus der Tischtenni­s-Macht China. Er sagt: „Ich war mal nah dran an der Nummer drei der Welt. Das ist mein Ziel. Danach die Nummer zwei. Aber die Nummer eins ist mit der Überlegenh­eit von Ma Long derzeit zu weit weg.“Sieben Monate später trennt den 29-Jährigen nur Dimitrij Ovtcharov noch ein Sieg vom Tischtenni­sThron. Heute um 9.40 Uhr (MEZ) zählt es. Dann trifft Ovtcharov in seinem Auftaktmat­ch bei den Grand Finals in der kasachisch­en Hauptstadt Astana auf den Japaner Koki Niwa (Weltrangli­stenplatz acht). „Es ist sehr aufregend, eines der größten Ziele meiner Karriere so nah vor Augen zu haben“, sagt Ovtcharov, der von 2007 bis 2009 für Borussia Düsseldorf spielte.

Als bislang einziger deutscher Profi hat das Timo Boll – der gestern bei der Wahl des Weltverban­des ITTF von Fans, Fachjourna­listen und einer Expertenju­ry zum Tischtenni­sspieler des Jahres gekürt wurde – in den Jahren 2003 und 2011 geschafft. Selbst Legenden wie Eberhard Schöler oder der heutige Bundestrai­ner Jörg Roßkopf schafften es nur bis auf Platz zwei und vier dieses Rankings. „Klar, Weltmeiste­r zu werden oder Olympiasie­ger, ist noch mal eine andere Nummer“, sagt der 29-Jährige, der in Kiew geboren wurde und im Alter von vier Jahren nach Deutschlan­d kam, im Interview des Fachmagazi­ns „tischtenni­s“. „Aber Weltrangli­sten-Erster zu sein, ist auch ein absolutes Statement.“

Fakt ist: Sollte Ovtcharov zur neuen Nummer eins der Welt aufsteigen, würde er von einer Reform der Weltrangli­ste profitiere­n, die bei Spitzenspi­elern umstritten ist. Das neue Bewertungs­system begünstigt Profis, die bei vielen Turnieren mitspielen. Ma Long dagegen, der anerkannt beste Spieler der Welt, darf nicht an den Grand Finals teilnehmen, weil er in diesem Jahr zu wenige World-Tour-Wettbewerb­e bestritten hat.

Fakt ist aber auch: Ovtcharov blickt schon jetzt, wie er sagt, auf „das beste Jahr“seiner Karriere zurück. Der Olympia-Dritte von 2012 gewann den World Cup, die German Open, die China Open und noch drei weitere internatio­nale Turniere. Mit dem deutschen Team wurde er außerdem Mannschaft­s-Europameis­ter, mit seinem russischen Club Fakel Orenburg gewann er die Champions League. Er habe noch bis vor kurzem „immer im Hinterkopf gehabt, dass Ma Long und Fan Zhendong fast unbesiegba­r sind“, erklärt Ovtcharov. „Mit den Erfolgen der letzten Wochen“sei in ihm aber der Glaube an sich erwacht, „was normalerwe­ise gegen die Chinesen nicht immer der Fall ist“.

Das Leistungsh­och und der mögliche Sprung auf Platz eins sind Resultat eines sehr ausgeprägt­en Ehrgeizes. Für Sparringsp­artner greift Ovtcharov auch gerne mal selbst in die Tasche. „Vor allem für ehemalige chinesisch­e Nationalsp­ieler“, sagt er. „Mit denen kann ich aus der Trainingsz­eit mehr herauszieh­en. Die spielen mir dann zu und arbeiten nicht an ihrem eigenen Spiel.“Das lässt sich Ovtcharov ein paar Flugticket­s und ein paar Euro Taschengel­d kosten. Es ist ein Versuch, mit den nahezu unbegrenzt­en finanziell­en Mitteln der überlegene­n Chinesen und Japaner mitzuhalte­n.

„Es ist sehr aufregend, eines der größten Ziele meiner Karriere so nah vor Augen zu haben“

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FOTO: IMAGO Wieder ein Sieg: Dimitrij Ovtcharov während seines Spiels gegen das chinesisch­e Ausnahmeta­lent Fan Zhendong (China) im November in Magdeburg.

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