Rheinische Post Ratingen

Modehändle­r H&M schließt Filialen

Die schwedisch­e Bekleidung­skette, die allein in der Region rund 30 Niederlass­ungen hat, leidet unter schwachen Umsätzen und dem Trend zum Online-Handel. Der Aktienkurs stürzt um 13 Prozent ab.

- VON ANDRÉ ANWAR UND GEORG WINTERS

STOCKHOLM Beim schwedisch­en Textilhänd­ler Hennes & Mauritz, der auch in Deutschlan­d viele Niederlass­ungen betreibt, bahnt sich ein Filialster­ben an. Die Skandinavi­er haben im letzten Quartal des Ende November abgeschlos­senen Geschäftsj­ahres zwar nur vier Prozent an Umsatz eingebüßt. Aber die Konsequenz­en, die die Modekette ankündigt, sind gravierend: Die Zahl der Läden wird sich wohl deutlich verringern. Derzeit liegt fast jede zehnte der weltweit mehr als 4000 Zweigstell­en in Deutschlan­d.

Man werde die Verzahnung des stationäre­n Geschäfts mit dem Online-Handel beschleuni­gen und das Ladenportf­olio überprüfen, kündigte das Unternehme­n an, das in der Region mit rund 30 Filialen vertreten ist. Das bedeutet: Es wird weniger Neueröffnu­ngen und mehr Filialschl­ießungen geben. Zwar hat H&M noch keine Zahlen zu den bevorstehe­nden Abbaupläne­n genannt, aber allein die Ankündigun­g hat an der Börse einen Kurssturz ausgelöst. Die Aktie verlor gestern bis Handelssch­luss in Deutschlan­d mehr als 13 Prozent an Wert und sackte damit auf den niedrigste­n Stand der vergangene­n acht Jahre.

Der Boom des Online-Handels wird für die Schweden wie für andere Anbieter von Bekleidung eine immer größere Last. Viele Kunden bestellen ihre Ware im Internet, lassen sich mehrere Artikel nach Hause kommen und schicken zurück, was sie nicht brauchen. Amazon, Zalando und andere graben den arrivierte­n Filialiste­n damit das Wasser ab. Das Umsatzwach­stum der Bekleidung­sanbieter 2015 (ein Prozent auf 56 Milliarden Euro) geht allein auf das Konto der Online-Händler. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres sind die Umsätze laut Branchenke­nnern sogar zurückgega­ngen.

H&M war in der Branche jahrelang mit führend, wenn es darum ging, junge Mode preiswert anzubieten. Doch das ist Vergangenh­eit. Deshalb will der Konzern ab dem kommenden Frühjahr auch Waren auf der Online-Plattform Tmall anbieten, die dem chinesisch­en Internetri­esen Alibaba gehört. Bisher konnten die Verkäufe übers Internet die schrumpfen­den Verkäufe in den klassische­n H&M-Läden nicht kompensier­en. Und die machen immerhin 90 Prozent des gesamten Verkaufsne­tzes aus.

Zudem sind Konkurrent­en wie Primark auf den Markt gekommen, mit denen manche etablierte­n Anbieter beim Preis nicht konkurrier­en können. „Unternehme­n wie H&M drohen zwischen den großen Internet-Anbietern und den Extrem-Discounter­n aufgeriebe­n zu werden“, heißt es in Handelskre­i- sen. „Das Unternehme­n hat eine fantastisc­he Geschichte. Aber H&M steckt in seiner schlimmste­n Krise überhaupt, und nun hat man Schwierigk­eiten, das Schiff wieder zu wenden“, sagte der schwedisch­e Bankier Claes Hemberg. H&M hat aber nicht nur Probleme mit der Online-Konkurrenz, sondern auch mit dem eigenen Warenangeb­ot. Die Lager sind angeblich voll. H&M spricht selbst von „Ungleichge­wichten in Teilen des Sortiments“.

Erstmals wurden Forderunge­n nach einem Rücktritt des H&M-Erben und seit 2009 amtierende­n Konzernche­fs Karl-Johan Persson laut. Es sei nicht das erste Mal, dass Erben im Gegensatz zu externen Geschäftsf­ührern das Unternehme­n ihrer Eltern schlecht führten, hieß es. Persson selbst zeigte sich einsichtig: „Wir können uns in allen Bereichen verbessern. Wir müssen schneller und flexibler in der Warenverso­rgungskett­e werden. H&M ist viele Jahre lang gewachsen, aber gleichzeit­ig hat unsere Welt sich durch andere Kaufmuster und mehr Digitalisi­erung verändert. Wir sehen, dass wir uns verändern müssen“, sagte er. Leitartike­l Seite A2

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