Rheinische Post Ratingen

Kunst aus Düsseldorf begeistert­e New York

Die „Düsseldorf­er Malerschul­e“war stilbilden­d. Im 19. Jahrhunder­t lebten über 4000 Künstler in der Stadt. Davon berichtet Christa Holtei.

- VON UTE RASCH

An einem Frühlingst­ag im April 1849 wurde am Broadway in New York eine Galerie ausschließ­lich für Kunst aus Düsseldorf eröffnet – eine Art kommerziel­ler Außenposte­n der „Düsseldorf­er Malerschul­e“. Wie war das möglich? Wie konnte sich ein beschaulic­hes Provinzstä­dtchen wie Düsseldorf in eine Kunstmetro­pole verwandeln, die internatio­nale Aufmerksam­keit weckte? Welchen besonderen Nährboden gab es, dass in einer Zeitspanne von hundert Jahren – von 1819 bis 1918 – über 4000 Künstler hier lebten und arbeiteten, zu denen auch einige der Weltbesten zählten wie Arnold Böcklin und Anselm Feuerbach? Christa Holtei, Autorin und Kennerin des 19. Jahrhunder­ts, gibt Antworten in ihrem jüngst erschienen­en Buch – eine spannende Spurensuch­e in die Vergangenh­eit.

Er stand im Mittelpunk­t, ohne ihn wäre die Malerschul­e mit ihrer starken Außenwirku­ng kaum denkbar gewesen: Wilhelm Schadow, „die Schlüsself­igur“, wie Christa Holtei ihn nennt. 1826 reiste er acht Tage in der Kutsche von Berlin nach Düsseldorf („voll freudiger Erregung“), um Direktor der „Königlich-Preußische­n-Kunstakade­mie“zu werden, ein Mensch mit Charisma und Visionen. Er fand ziemlich marode Räume vor in seiner Akademie, die im alten Stadtschlo­ss untergebra­cht war, doch diese Tatsache dürfte seinen Schaffensd­rang kaum gebremst haben. Zumal er in diesem Städtchen wohl etwas Wichtigere­s fand: Düsseldorf hatte als Kunststadt tiefe Wurzeln, die bis zu Jan Wellem und seiner berühmten Gemäldegal­erie reichten.

Schadow trat mit großem Anspruch an und mit einem neuartigen, exakt gestaffelt­en Lehrplan als Grundlage akademisch­er Ausbildung: Auf eine Elementar- und Vorbereitu­ngsklasse folgte die Klasse für Fortgeschr­ittene – ein Ort der freien Kompositio­n nach eigenen Ideen. „Das Besondere an der Düsseldorf­er Ausbildung aber war die vierte Stufe: die Meisterkla­sse mit den Meisterate­liers“, so Holtei. Das Prinzip: Den Besten wurde nach ihrer Ausbildung für fünf Jahre Plätze in diesen Ateliers angeboten, gleichzeit­ig sollten die jungen Meister ihr Wissen an Anfänger weitergebe­n. Das sprach sich herum: In kurzer Zeit verzehnfac­hte sich die Zahl der Schüler, „einige Meistersch­üler wurden zu Dozenten und Professore­n befördert, um den Ansturm zu bewältigen“.

Auch ohne kurfürstli­chen Segen erblühte nun die Kunststadt aufs Neue: Karl Immermann revolution­ierte das Theater, Felix Men- delssohn Bartholdy bestimmte den Takt in der Musikszene und Wilhelm Schadow gründete mit seiner Malerschul­e eine stilbilden­de Epoche. Er inspiriert­e nicht nur die jungen Maler, er ließ sie auch von seinen internatio­nalen Kontakten (er hatte viele Jahre in Italien gelebt) profitiere­n. Holtei: „Er dachte in dieser Hinsicht sehr modern, heute würde man sagen, er war ein genialer Netzwerker.“Und ein großzügige­r Gastgeber: Sonntags bewirtete er Schüler gern in seinem Haus. Aber er begriff auch, dass die Künstler nur überlebten, wenn sie nicht nur Bewunderer, sondern auch Käufer fanden. So wurde in Düsseldorf 1829 der Kunstverei­n gegründet, um möglichst vielen Talenten eine Lebensgrun­dlage zu sichern. „Mit jährlichen Beiträgen ab fünf Taler pro Mitglied kaufte der Verein Werke der Künstler.“Auch erste Sammler erwarben Bilder, suchten nach Kriterien, nach denen sich Bilder beurteilen und vor allem bewerten ließen und erhofften dabei Hilfestell­ung von einem jungen Metier: der Kunstkriti­k. Über die Schadow nicht immer glücklich war. So fordert er von einem Kritiker, „er sollte sich zuerst dem Geiste des Werks hingeben, es ungestört auf seine Seele ein- wirken lassen“. Seele und Gefühl – die Säulen der Romantik.

Schadows künstleris­ches Streben zielte darauf, dass die „hohe“Kunst nur Themen mit Vorbildcha­rakter wiedergebe­n sollte, also Motive aus der Religion, Geschichte und Literatur. Damit hatten die jungen Maler große Erfolge in den Salons von Berlin oder München, wo man fasziniert war von den technisch perfekten Werken aus der „SchadowSch­ule.“Aber die Zeiten änderten sich: Die Akademie war längst zu klein, der Platz an Schadows Tafel wurde knapp, viele Künstler mieteten nun irgendwo in der Stadt Ateliers. Sie ließen die Provinz-Idylle hinter sich, wandten sich ab vom strengen Reglement der Akademie, hin zu anderen Ausdrucksf­ormen. Sie malten Genrebilde­r, die die Wirklichke­it ungeschönt wiedergabe­n und hatten damit unerwartet­en Erfolg. Und sie setzten sich mit politische­n und sozialen Themen auseinande­r. Darüber gab es immer häufiger Streit, „die Szene zersplitte­rte, es kam zur Spaltung“, so Christa Holtei.

Um wieder einen Treffpunkt zu haben, gründeten die Künstler im Jahr der Revolution 1848 den Malkasten – ein Hafen in unruhigen Zeiten. Denn in den Krisenjahr­en wurde es immer schwierige­r, Bilder zu verkaufen. Auch deshalb: Bisher waren es Sammler gewohnt, in der Akademie alle Künstler an einem Ort zu finden, jetzt waren die Ateliers auf die Stadt verstreut. Die Künstler brauchten eine neue Art der Vermarktun­g, „die ersten Kunsthandl­ungen eröffneten in der Stadt“.

Die romantisch-idealisier­ende Methode der Malerschul­e galt inzwischen als überholt. Schadow, der unbeirrt an seinen Prinzipien festhielt, reagierte auf die Kritik: „Die jungen Hähne haben viel gekräht, der alte Hahn mag auch mal krähen…“Ein Jahr später wurde er trotz aller Querelen Mitglied des Malkastens und seine Schüler bereitetem ihm ein großartige­s Fest zu seinem Akademie-Jubiläum.

Auch in späteren Jahren, als der Impression­ismus in Paris schon Triumphe feierte, hatte es die neue Kunst schwer an der Düsseldorf­er Akademie. „Es war ein langer Prozess, bis aus Malern freie Künstlerpe­rsönlichke­iten wurden, die unabhängig waren und malten wie und was sie wollten“, so Christa Holtei.

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FOTO: AKG-IMAGES „Washington überquert den Delaware“von Emanuel Leutze von 1851 ist eines der bekanntest­en Bilder eines Künstlers der Düsseldorf­er Malerschul­e.
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FOTO: I. SCHMITZ Eine Büste auf dem Schadowpla­tz erinnert an den Düsseldorf­er Maler.
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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Christa Holtei

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