Barocker Garten mit moderner Technik
In einer abenteuerlichen Aktion wurde an der Birkenstraße im letzten Sommer ein 22 Meter hoher Aufzugturm installiert.
Zwei Jahre lang hat sich Bernd Mathea Häuser angeschaut. Hat langsam ein Gespür dafür entwickelt, hinter welchen Mauern Potenzial verborgen sein könnte. „Außerdem glaubt man ja immer, es würde einem noch etwas Besseres, Schöneres begegnen, das macht es so schwer.“Dann hat er sich entschieden für ein Gründerzeithaus an der Birkenstraße. Das war 1990, lange bevor diese Straße auch nur in die Nähe des Szeneviertels Flingern rückte. „Meine Freunde haben nur den Kopf geschüttelt.“Das machen sie mittlerweile nicht mehr.
Der ehemalige Flugkapitän hat dann behutsam renoviert, Etage für Etage die Wohnungen auf den neuesten Stand gebracht. Auch die beiden obersten Stockwerke, die von vornherein für ihn reserviert waren. Schon bald wusste er: „Hier will ich nicht mehr weg.“Geradezu dörflich empfindet er die Atmosphäre in seinem „Kiez“, gemixt mit Großstadtangebot, „die vielen Kneipen und Restaurants, und in den Hinterhöfen gibt’s noch alte Handwerksbetriebe“. Längst hat der 62-Jährige Wurzeln geschlagen in seinem Stadtteil, ist mittlerweile Vorsitzender der Werbegemeinschaft und plant Aktionen – oft gemeinsam mit Pro Düsseldorf – wie im letzten Frühling, als 6000 Narzissen die Birkenstraße aufblühen ließen.
Es ist für ihn beschlossene Sache: Alt werden will er in seinem Viertel. Doch dann schlichen sich erste Zweifel in diese Absicht: „Was mache ich, wenn ich irgendwann nicht mehr die Treppen in den vierten Stock hochgehen kann?“Einen Fahrstuhl einbauen? Nun kommt Wieland Freudiger ins Spiel, ein Innenarchitekt, den knifflige Aufgaben reizen. Denn es war klar, dass das Original-Treppenhaus von 1913 seinen Charakter nicht durch moderne Technik einbüßen sollte. Vor allem die geschwungene Treppe mit ihrem geschnitzten Pfeiler am Aufgang sollte völlig unbeeinträchtigt bleiben. Überhaupt: Jedes Detail wird hier liebevoll ins Licht gerückt: die Rosette im Terrazzoboden, die alte Kellertür, die in Ozeanblau glänzt, die originale Hausnummer, die nun an einer Innenwand an die Vergangenheit erinnert.
Also kam Freudiger auf die Idee mit dem gläsernen Außenaufzug – der ragt nun im Hinterhof 22 Meter hoch bis zum Dachgeschoss. „Seine Konstruktion war ein Abenteuer“, erinnert er sich. Denn das alte Ziegelmauerwerk und die Holzkonstruktion des Hauses wären wohl kaum stabil genug gewesen, um den Turm am Gebäude zu befestigen. Also mussten zunächst 40 Kubikmeter Erdreich ausgebuddelt werden, um ein drei Meter tiefes Fundament für den Aufzug zu verankern. Er wurde dann schließlich in vier Einzelelementen geliefert, die von der Hermannstraße – die für den Verkehr gesperrt wurde – per Kran über zwei Häuser gehievt wurden. „Über die Birkenstraße war das nicht möglich, weil dort die Straßenbahnen fahren.“Ein Abenteuer, denn es war ziemlich windig an diesem Sommertag, als die Turmteile über den Dächern schwebten.
Nun steht der Turm stabil und fest im Hinterhof, hoch aufragender Kontrapunkt zu seiner Umgebung. Denn jenseits des Fahrstuhls hat der Hausherr einen barocken Garten geschaffen mit bemalten Wänden und einem alten Waschbecken, mit Buchsbaum umrandeten Beeten, die von steinernen Putten bewacht werden, als wäre das hier ein französisches Landhaus – mitten in Flingern. Kein Autolärm ist in dieser romantischen Stadtoase zu hören, nur intensives Gezwitscher – das aus einer Vogelvoliere dringt.
Von seiner Dachterrasse in der vierten Etage hat Bernd Mathea diesen Garten und eine haushohe prächtige Tanne im Blick. Zentraler Ort dieser Wohnebene ist eine große Küche, der man ansieht, dass sie gern und häufig genutzt wird. Wie auch das Esszimmer mit einer New Yorker Straßenszene an der Wand, an dessen Tisch viele Freunde Platz finden. Die obere Etage seiner Wohnung ist sein privates Refugium mit Sofas, Schreibtisch, Schlafzimmer und Bad.
In diesem ehemaligen Speicher sind alle Wände schräg, hier gilt: Kopf einziehen. Gegenüber den Sofas ist der Lieblingsplatz des Hausherrn: ein Fenster mit Fernblick über die Birkenstraße bis zum Rheinturm im Hafen. Bald wird er diese Aussicht wieder besonders genießen: beim Feuerwerk am Silvesterabend.