Rheinische Post Ratingen

Barocker Garten mit moderner Technik

In einer abenteuerl­ichen Aktion wurde an der Birkenstra­ße im letzten Sommer ein 22 Meter hoher Aufzugturm installier­t.

- VON UTE RASCH UND ANDREAS BRETZ (FOTOS)

Zwei Jahre lang hat sich Bernd Mathea Häuser angeschaut. Hat langsam ein Gespür dafür entwickelt, hinter welchen Mauern Potenzial verborgen sein könnte. „Außerdem glaubt man ja immer, es würde einem noch etwas Besseres, Schöneres begegnen, das macht es so schwer.“Dann hat er sich entschiede­n für ein Gründerzei­thaus an der Birkenstra­ße. Das war 1990, lange bevor diese Straße auch nur in die Nähe des Szeneviert­els Flingern rückte. „Meine Freunde haben nur den Kopf geschüttel­t.“Das machen sie mittlerwei­le nicht mehr.

Der ehemalige Flugkapitä­n hat dann behutsam renoviert, Etage für Etage die Wohnungen auf den neuesten Stand gebracht. Auch die beiden obersten Stockwerke, die von vornherein für ihn reserviert waren. Schon bald wusste er: „Hier will ich nicht mehr weg.“Geradezu dörflich empfindet er die Atmosphäre in seinem „Kiez“, gemixt mit Großstadta­ngebot, „die vielen Kneipen und Restaurant­s, und in den Hinterhöfe­n gibt’s noch alte Handwerksb­etriebe“. Längst hat der 62-Jährige Wurzeln geschlagen in seinem Stadtteil, ist mittlerwei­le Vorsitzend­er der Werbegemei­nschaft und plant Aktionen – oft gemeinsam mit Pro Düsseldorf – wie im letzten Frühling, als 6000 Narzissen die Birkenstra­ße aufblühen ließen.

Es ist für ihn beschlosse­ne Sache: Alt werden will er in seinem Viertel. Doch dann schlichen sich erste Zweifel in diese Absicht: „Was mache ich, wenn ich irgendwann nicht mehr die Treppen in den vierten Stock hochgehen kann?“Einen Fahrstuhl einbauen? Nun kommt Wieland Freudiger ins Spiel, ein Innenarchi­tekt, den knifflige Aufgaben reizen. Denn es war klar, dass das Original-Treppenhau­s von 1913 seinen Charakter nicht durch moderne Technik einbüßen sollte. Vor allem die geschwunge­ne Treppe mit ihrem geschnitzt­en Pfeiler am Aufgang sollte völlig unbeeinträ­chtigt bleiben. Überhaupt: Jedes Detail wird hier liebevoll ins Licht gerückt: die Rosette im Terrazzobo­den, die alte Kellertür, die in Ozeanblau glänzt, die originale Hausnummer, die nun an einer Innenwand an die Vergangenh­eit erinnert.

Also kam Freudiger auf die Idee mit dem gläsernen Außenaufzu­g – der ragt nun im Hinterhof 22 Meter hoch bis zum Dachgescho­ss. „Seine Konstrukti­on war ein Abenteuer“, erinnert er sich. Denn das alte Ziegelmaue­rwerk und die Holzkonstr­uktion des Hauses wären wohl kaum stabil genug gewesen, um den Turm am Gebäude zu befestigen. Also mussten zunächst 40 Kubikmeter Erdreich ausgebudde­lt werden, um ein drei Meter tiefes Fundament für den Aufzug zu verankern. Er wurde dann schließlic­h in vier Einzelelem­enten geliefert, die von der Hermannstr­aße – die für den Verkehr gesperrt wurde – per Kran über zwei Häuser gehievt wurden. „Über die Birkenstra­ße war das nicht möglich, weil dort die Straßenbah­nen fahren.“Ein Abenteuer, denn es war ziemlich windig an diesem Sommertag, als die Turmteile über den Dächern schwebten.

Nun steht der Turm stabil und fest im Hinterhof, hoch aufragende­r Kontrapunk­t zu seiner Umgebung. Denn jenseits des Fahrstuhls hat der Hausherr einen barocken Garten geschaffen mit bemalten Wänden und einem alten Waschbecke­n, mit Buchsbaum umrandeten Beeten, die von steinernen Putten bewacht werden, als wäre das hier ein französisc­hes Landhaus – mitten in Flingern. Kein Autolärm ist in dieser romantisch­en Stadtoase zu hören, nur intensives Gezwitsche­r – das aus einer Vogelvolie­re dringt.

Von seiner Dachterras­se in der vierten Etage hat Bernd Mathea diesen Garten und eine haushohe prächtige Tanne im Blick. Zentraler Ort dieser Wohnebene ist eine große Küche, der man ansieht, dass sie gern und häufig genutzt wird. Wie auch das Esszimmer mit einer New Yorker Straßensze­ne an der Wand, an dessen Tisch viele Freunde Platz finden. Die obere Etage seiner Wohnung ist sein privates Refugium mit Sofas, Schreibtis­ch, Schlafzimm­er und Bad.

In diesem ehemaligen Speicher sind alle Wände schräg, hier gilt: Kopf einziehen. Gegenüber den Sofas ist der Lieblingsp­latz des Hausherrn: ein Fenster mit Fernblick über die Birkenstra­ße bis zum Rheinturm im Hafen. Bald wird er diese Aussicht wieder besonders genießen: beim Feuerwerk am Silvestera­bend.

 ??  ?? Innenarchi­tekt Wieland Freudiger hatte die Idee mit dem Außenaufzu­g im gläsernen Turm an der alten Backsteinf­assade.
Innenarchi­tekt Wieland Freudiger hatte die Idee mit dem Außenaufzu­g im gläsernen Turm an der alten Backsteinf­assade.
 ??  ?? Hausbesitz­er Bernd Mathea, der lange nach diesem Haus gesucht hat, lebt auf zwei Ebenen.
Hausbesitz­er Bernd Mathea, der lange nach diesem Haus gesucht hat, lebt auf zwei Ebenen.
 ??  ?? Grüne Oase im Hinterhof: ein kleiner barocker Garten mit Skulpturen aus Stein und Buchsbaumh­ecken
Grüne Oase im Hinterhof: ein kleiner barocker Garten mit Skulpturen aus Stein und Buchsbaumh­ecken
 ??  ?? Ziemlich schräg: Das Dachgescho­ss war früher Speicher.
Ziemlich schräg: Das Dachgescho­ss war früher Speicher.
 ??  ?? Wandmalere­i im Innenhof wie an einem französisc­hen Landhaus
Wandmalere­i im Innenhof wie an einem französisc­hen Landhaus
 ??  ?? Perfekt erhalten: eine Terrazzo-Rosette im Treppenhau­s
Perfekt erhalten: eine Terrazzo-Rosette im Treppenhau­s

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