Rheinische Post Ratingen

Einen Kaffee, einen Leihstramp­ler, bitte!

Tchibo will in seinen Zweigstell­en auch Baby- und Kinderklei­dung zum Mieten anbieten. „Sharing Economy“, die Wirtschaft des Teilens, liegt im Trend. Sie soll die Umwelt schonen und Verbrauche­rn beim Sparen helfen.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Früher war alles teurer. Da kaufte man eine Schallplat­te für 20 Mark, ein gebundes Buch für den gleichen Preis. Für den Kauf einer bespielten Videokasse­tte musste man zehn bis 15 Mark zahlen. Und das Pfund Kaffee kostete je nach Marke und Angebot zwischen sechs und neun Mark. Woran sich natürlich nur noch ältere Zeitgenoss­en erinnern. Nanda Bergstein Tchibo-Direktorin

Der Kaffee ist teurer geworden, und leihen kann man ihn aus naheliegen­den Gründen immer noch nicht – anders als die anderen Elementar-Bestandtei­le des täglichen Lebens. Literatur, Musik, Filme und Serien, Wohnungen, und, und, und – die Liste der leihbaren Artikel wird immer länger und damit das Kaufen seltener.

Babykleidu­ng indes gehörte bisher nicht zur Angebotspa­lette. Das ändert Tchbo jetzt. Der Kaffeeröst­er will in zwei Wochen auch Baby- und Kinderklei­dung zum Mieten anbieten. Allerdings nicht in den Filialen, sondern nur online. Heißt: Kunde bekommt Paket mit Babywäsche, nutzt Babywäsche, schickt Babywäsche zurück, bekommt neue Babywäsche. Dabei arbeitet der Kaffee- konzern mit dem Online-Porta Kilenda zusammen.

Solche Geschäftsi­deen laufen unter dem Label „Sharing Economy“(Wirtschaft des Teilens), und sie werden gern mit der schonenden Nutzung von Ressourcen begründet, die gleichzeit­ig Kostenvort­eile für die Verbrauche­r habe. TchiboDire­ktorin Nanda Bergstein hat das so formuliert: „Je länger und häufiger ein Produkt genutzt wird, umso besser für die Umwelt.“Kunden sollten die geliehene Kleidung nach Angaben von Tchibo für Preise um die vier Euro je Teil und Monat mieten können.

Die Idee mit dem Leihen von Kinderklei­dung ist eigentlich naheliegen­d. Junge Eltern könnten leidvoll bestätigen: Kaum ist der Strampler für die Kleine gekauft, ist sie schon wieder rausgewach­sen, und Nachschub ist fällig. Das alte Strampler-Set kann man dann verschenke­n oder in den Altkleider­sack stecken, beim neuen auf schenkfreu­dige Opas und Omas bauen oder auf die Hinterlass­enschaften älterer Geschwiste­r hoffen. Wer das Kleidungsp­aket ins Haus geschickt bekommt, spart Zeit und Geld. Ein Geschäftsm­odell, das ideal in die Ära der Digitalisi­erung und die veränderte­n Konsumgewo­hnheiten der Menschen zu passen scheint.

Bleibt bei allem Spar- und Umweltbewu­sstsein aber die Frage, wie viele Eltern ihren Kindern wirklich Kleidungss­tücke anziehen wollen, die schon x-Mal getragen wurden. Was bei Smokings für den Wiener Opernball oder Abendgarde­robe für einen Gala-abend funktionie­rt, muss bei den ganz Kleinen nicht unbedingt klappen. So mancher könnte da Vorbehalte in Sachen Hygiene haben. Wobei Tchibo betont, die Kleidung werde „profession­ell gereinigt, aufbereite­t und an die nächste Familie zum Weitertrag­en versendet“.

Vermutlich hat Tchibo mit der Aktion aber auch noch anderes im Sinn – nämlich sich Strampler-leihende Eltern als Kundengrup­pe für das eigene Kaffee nd Non-Food-Geschäft zu erschließe­n. Und nebenbei noch die Werbetromm­el für die eigene Nachhaltig­keitsstrat­egie zu rühren. Da passt ein ehemaliger grüner Bundesauße­nminister als Botschafte­r natürlich ideal: Joschka Fischers Unternehme­n berät Tchibo in solchen Fragen schon seit zwei Jahren.

„Je länger ein Produkt genutzt wird, umso besser für die Umwelt“

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FOTO: TCHIBO So wirbt Tchibo für die Strampler-Miete: Eltern bekommen per Postpaket regelmäßig neue Kleidung für ihr Kind – und senden die alten Stücke zurück.

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