Videobeweis rettet deutsche Handballer
Mit einem 25:25 hat die DHB-Auswahl bei der EM in Kroatien die Hauptrunde erreicht. Der Ausgleich fällt erst in der Schlusssekunde durch einen Siebenmeter – nach minutenlangem Warten. Slowenien legt Protest ein.
ZAGREB Christian Prokop schaut gebannt auf die beiden Männer, die da vor dem TV-Schirm stehen. Doch nicht nur er. Seine Spieler, die des Gegners und die Zuschauer in der Arena von Zagreb müssen sich gedulden, denn es gibt den bei der WM 2015 eingeführten Videobeweis. Die Slowenen haben schon gefeiert. Sechs Sekunden vor Schluss
„Wir sind noch mal mit zwei blauen Augen davongekommen“
Bob Hanning Vizepräsident des DHB hatte Blaz Janc den Treffer zum 25:24 erzielt. Gut acht Minuten später lautet das Endergebnis aber 25:25. Tobias Reichmann hat sich nicht nervös machen lassen und den Strafwurf souverän verwandelt. Weil Blaz Blagotinsek den Anwurf der Deutschen verhindert hatte, sah der lange Kreisläufer die Rote Karte, und Vaidas Mazeika und Mindaugas Gatelis aus Litauen entschieden: Strafwurf. Ein Urteil, das die Slowenen nicht hinnehmen wollen. Sie legten Protest ein, dem der Deutsche Handballbund (DHB) gelassen entgegensieht.
„Ich hatte mich sicher gefühlt. Eigentlich wollte ich in die andere Ecke werfen. Das war definitiv ein gewonnener Punkt“, sagte Rechtsaußen Reichmann, der schon beim überraschenden EM-Triumph 2016 als nervenstarker Siebenmeterwerfer geglänzt hatte. Es war das glückliche Ende eines Handballspiels, das lange den Titel „Krieg am Kreis“verdiente. Glücklich, weil die Spieler des WM-Dritten Slowenien nach ihrer 24:25-Auftaktniederlage gegen Montenegro bei der EM-Endrunde leidenschaftlich kämpften und zehn Minuten vor dem Ende (20:21) erstmals in Rückstand gerieten.
Bundestrainer Prokop könne jeden bringen, ohne dass die Leistung abfällt, hieß es stets. Der 39-Jährige wechselte in der ersten Halbzeit viel, es gab aber nicht den nötigen Leistungsanstieg. Und da Urban Lesjak im Slowenen-Tor eine überragende erste Halbzeit spielte, kam das 10:15 nicht überraschend. „Wir haben uns von der Härte und Aggressivität beeindrucken lassen und nicht umgesetzt, was wir uns vorgenommen hatten“, sagte Prokop.
Immer wieder sorgte der für den THW Kiel aktive Spielgestalter Miha Zarabec für Unruhe. Da die deutsche Abwehr keinen Zugriff fand und Borut Mackovsek einige Fackeln abbrannte, sah es nicht gut aus für den Titelverteidiger. Nach der Pause meldeten sich Prokops Männer zurück. Tor um Tor arbeiteten sie sich heran, nutzten die Zeitstrafen der Slowenen und waren nach 45 Minuten (17:18) dran. Großen Anteil daran hatte auch Silvio Heinevetter, der beim Stand von 7:12 den zum Auftakt gegen Montenegro (32:19) überragenden Andreas Wolff abgelöst hatte. Technische Feinheiten waren diesmal nicht zu sehen. Es ging über Kampf, Leidenschaft, Willensstärke und die Fähigkeit, so weit wie möglich die Ruhe zu bewahren. Die Schlussphase war nichts für schwache Nerven. Kapitän Uwe Gensheimer, der zwei Strafwürfe ausgelassen und einen erst im Nachwurf verwandelt hatte, verfehlte frei von links außen das Tor – es blieb so beim 21:23. Kay Häfner verkürzte wenig später auf 22:23 (58.), Patrick Groetzki erzielte das 23:23 (59.). Paul Drux schaffte den erneuten Ausgleich. Es war eines von vier Toren in der Schlussminute, die über acht Minuten dauerte.
„In der zweiten Halbzeit sind wir mit dem siebten Feldspieler hohes Risiko gegangen. Positiv ist, dass wir nach dem 5-Tore-Rückstand diszipliniert geblieben sind. Jetzt haben wir am Mittwoch gegen Mazedonien ein Endspiel“, sagte Prokop. „Es ist ein dreckiger Punkt, der aber sehr wertvoll werden kann“, meinte Torhüter Heinevetter. Die DHBAuswahl hat sich damit für die Hauptrunde in Varazdin qualifiziert, wird aber wohl mindestens einen Minuspunkt mitnehmen. Gegen Mazedonien (18.15 Uhr/ARD) muss die Abwehr wieder stärker auftrumpfen – und auch der Angriff erfolgreiche Lösungen finden.
„Wir sind mit zwei blauen Augen davongekommen“, sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning. Prokop atmete ebenfalls tief durch. „Ich bin froh, dass es den Videobeweis gibt, und glücklich, dass Tobias Reichmann die Nerven behalten hat“, sagte der Bundestrainer