Rheinische Post Ratingen

Ehepaar soll Frau gequält haben

Nur die Ehefrau muss sich vor Gericht verantwort­en – ihr Mann ist gestorben.

- VON RITA KLEIN UND NICOLAS OTTERSBACH

RUPPICHTER­OTH/BONN Schon auf dem Weg zum Gerichtssa­al versteckt sich die Frau, der so Ungeheuerl­iches vorgeworfe­n wird, vor den Kameras: Die 29-Jährige hat die dunkle Kapuze tief ins Gesicht gezogen und hält sich einen Aktenordne­r vor, bis die Fotografen und Kameraleut­e den Saal verlassen haben. Die Angeklagte und ihr Ehemann sollen in ihrem Haus in Ruppichter­oth eine junge Frau monatelang eingesperr­t, misshandel­t und sexuell missbrauch­t haben. Da der 48-jährige Ehemann Ende 2017 verstarb, sitzt seine Frau nun allein vor der 3. Großen Strafkamme­r des Bonner Landgerich­ts.

Ursprüngli­ch hatte die Anklage gegen das Ehepaar, das für sein ehrenamtli­ches Engagement bekannt war, neun Fälle aufgeliste­t, die von August 2013 bis Februar 2014 passiert sein sollen: gefährlich­e Körperverl­etzung, sexuelle Nötigung, Vergewalti­gung und Freiheitsb­eraubung. Die 29-Jährige muss sich nun nur noch in zwei Punkten verantwort­en: gemeinscha­ftlicher schwerer sexueller Missbrauch mit ihrem Mann in einem Fall sowie schwerer sexueller Missbrauch, den sie alleine begangen haben soll.

Die Details, die Staatsanwä­ltin Telje Müllenbach nennt, sorgen erkennbar für Entsetzen im Zuschauerr­aum. Die Frau soll laut Anklage dabei gewesen sein, als ihr Ehemann eine damals 23-Jährige mit Gewalt dazu zwang, sich in die Badewanne zu setzen, und demütigend­e, sexuelle Handlungen an ihr vornahm. Ein zweites Mal soll die Angeklagte dies ohne ihren Mann getan haben.

Regungslos verfolgt die 29-Jährige die Anklagever­lesung, wirkt jedoch sehr aufmerksam, macht sich Notizen und tauscht sich mit ihrem Verteidige­r aus. Sonst schweigt sie. Sie wolle sich, so erklärt ihr Anwalt, möglicherw­eise am nächsten Prozesstag äußern – und dann auch zu den Vorwürfen, die ihrem verstorben­en Mann gemacht worden seien. Schon im Vorfeld hatte das Paar alle Vorwürfe bestritten.

Allerdings wurden beide im Zusammenha­ng mit dem Fall der jungen Frau bereits im Mai 2015 vom Amtsgerich­t Siegburg wegen Freiheitsb­eraubung zu Geldstrafe­n verurteilt: Nachdem der jungen Frau einmal die Flucht gelungen war, hatte das Paar sie auf offener Straße in Sankt Augustin unter Drohungen festgehalt­en und entführt, was von Zeugen beobachtet worden war.

Die zentrale Frage in diesem Prozess lautet nun: Sagt das heute 27jährige Opfer die Wahrheit? Einem vorläufige­n Glaubwürdi­gkeitsguta­chten zufolge basieren ihre Angaben auf tatsächlic­h Erlebtem. Und auch die Zeugen, die an diesem ersten Tag gehört werden, haben keinen Zweifel daran, dass die junge Frau Furchtbare­s mitgemacht hat. Die Pflegemutt­er, die die Tochter einer Alkoholike­rin seit Jahren kennt und betreut, schildert im Zeugenstan­d, wie sehr diese sich nach den Vorfällen verändert hat: Sie habe sich nicht mehr allein vor die Tür getraut, massiv unter Angstzustä­nden gelitten und bei ihr im Zimmer schlafen wollen.

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