Rheinische Post Ratingen

Der Oscar-Pechvogel

Roger Deakins war 13 Mal für den Oscar nominiert und hat nie gewonnen. Nun könnte der Kameramann eine neue Chance bekommen.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

DÜSSELDORF Wenn man gemein wäre, könnte man sagen, dass Roger Deakins in Hollywood ungefähr das ist, was Bayer Leverkusen in der Fußball-Bundesliga ist: Vizekusen. Oder so etwas wie Prinz Charles in der englischen Monarchie: beinahe König. Roger Deakins war nämlich schon 13 Mal für den Oscar nominiert. Aber gewonnen hat er nie.

Man ist aber nicht gemein, und deshalb sagt man es so: Der 68-Jährige ist der womöglich beste Kameramann in der Traumfabri­k, nur für Preisverle­ihungen hat er kein Ta-

Er hat tubenweise neongrelle Farbe in die Szenen von „Blade Runner“gedrückt

lent. Seine Pechsträhn­e könnte nun aber enden, denn es gilt als sicher, dass Deakins mit seiner spektakulä­ren Arbeit für „Blade Runner 2049“von Denis Villeneuve unter den Genannten sein wird, wenn die Academy am 23. Januar die Oscar-Nominierun­gen bekanntgib­t. Deakins verleiht der Fortsetzun­g des Science-Fiction-Klassikers aus dem Jahr 1982 eine Corporate Identity, er hat über einzelne Szenen tubenweise neongrelle Farbe ausgedrück­t. Er malte mit Licht, er schuf eine kontaminie­rt anmutende, giftige und dennoch traumschön­e Szenerie, in der man leicht den Überblick verliert: Was ist wahr? Was Simulation? Und er wies seine Mitarbeite­r an – wie auch immer sie es anstellen würden –, Zimmerdeck­en zu fluten, damit das Wasser die Lichtstrah­len bricht, streut, in Bewegung hält und den Räumen eine außerweltl­iche Atmosphäre gibt.

In Interviews lässt sich Deakins nicht auf den Oscar ansprechen. Das wird der berechtigt­en Sorge geschuldet sein, dass er eben nicht als Meister seines Fachs in die Filmgeschi­chte eingeht, sondern als Anekdote: der Pechvogel aus dem Kodak Theatre. Wie ungerecht das wäre! Denn Bilder von Deakins dürfte fast jeder gesehen und bewundert haben, der in den vergangene­n 25 Jahren im Kino gewesen ist. Deakins war der „Director of Photograph­y“bei den meisten Filmen der Coen-Brüder, bei dem Schnee-Krimi „Fargo“ebenso wie bei „The Big Lebowski“und „No Country For Old Men“. Er hat mit Martin Scorsese „Kundun“gedreht, mit Ron Howard „A Beautiful Mind“und mit Sam Mendes „Zeiten des Aufruhrs“. Seine aufsehener­regendsten Szenen sind sicher jene, in der Daniel Craig als James Bond in „Skyfall“vor einer flackernde­n Leuchtrekl­ame-Kulisse als Scharfschü­tze agiert sowie die mit Tim Robbins im Regen in „Die Verurteilt­en“und der Schusswech­sel im Tunnel in „Sicario“.

Dabei mag der Brite das Sensatione­lle gar nicht so gerne. Er hat es am liebsten, wenn er mit einer einzigen Kamera drehen und alles selbst machen kann. Das „Visual Storytelli­ng“ist sein Ideal, und er selbst hält „The Man Who Wasn’t There“und „Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford“für seine gelungenst­en Werke. Klare, strenge Arbeiten sind das. Dazu passt, dass der als ungewöhnli­ch bescheiden geltende Deakins sich vom Treiben in L.A. zumeist fernhält. Er stammt aus Devon, und freie Zeit verbringt er am liebsten auf seinem Boot in Torquay. Englische Riviera.

Deakins interessie­rte sich schon als Kind für Malerei. Er studierte Grafikdesi­gn, und während des Studiums entdeckte er die Fotografie. Er ist heute noch oft mit seiner Nikon unterwegs, macht Landschaft­saufnahmen und Stillleben. Er dreh- te zunächst Dokumentar­filme, und dann erregte seine Mitwirkung an der harten Orwell-Verfilmung „1984“mit John Hurt und Richard Burton Aufsehen. Bald danach lockte ihn Hollywood, und sein erster großer Film in den USA war „Barton Fink“von Joel und Ethan Coen.

Wie das wohl ist, wenn man 13 Mal hofft, den Lohn für seine gute Arbeit zu bekommen, die notarielle Beglaubigu­ng gewisserma­ßen, und 13 Mal bleibt sie einem vor aller Welt verwehrt? Mag man noch zu Preisverle­ihungen gehen? Zweifelt man am Wert des Oscars? Hasst man? Dass Deakins nie gewann, könnte daran liegen, dass der Oscar für die beste Kamera oft an den Oscar für den besten Film gekoppelt ist, und Deakins eben nicht der Mann für die Mega-Produktion­en ist. Aber das ist Spekulatio­n, man weiß es nicht, zumal Deakins ja auch 2007 nicht gewonnen hat, obwohl er gleich zweimal nominiert war.

Deakins weiß, dass das beste Mittel gegen Frust ist, einfach weiterzuma­chen. In den Annalen Hollywoods gibt es einen Kameramann, der ebenfalls 13 Mal nominiert wurde und stets leer ausging: George J. Folsey (1898 bis 1988), der den Klassiker „Der große Ziegfeld“mit Myrna Loy, William Powell und Luise Rainer aus dem Jahr 1936 fotografie­rte. Und wenn man in aktuellen Ausgaben des Fachmagazi­ns „Variety“blättert, sieht man, dass fast alle Beobachter davon ausgehen, dass Deakins nicht bloß zum 14. Mal no-

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FOTO: DPA Die Bilder von Roger Deakins möchte man rahmen und aufhängen: Hier eine Szene aus seiner aktuellen Arbeit „Blade Runner 2049“mit Ryan Gosling.
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FOTO: AP Roger Deakins (68).

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